Wüsten und Kakteen in Nevada und Arizona

Eine Ecke Nevada

Mit Schlammschuhen und einer dicken Schicht Dreck um uns überqueren wir die Bundesstaatsgrenze für einen kurzen Abstecher nach Nevada. Ein Hochdruckreiniger verhilft uns all den Dreck loszuwerden und noch nie waren unsere Schuhe so schnell geputzt. In der Nähe vom Valley of Fire State Park haben wir uns erneut mit Tina und Johannes verabredet. Die Tage sind noch immer kurz und in der Dämmerung sehen wir am Canyonrand ein Feuer flackern. Das werden sie bestimmt sein.

Die Wiedersehensfreude ist gross und aus einem gemeinsamen Abend werden erneut mehrere.

Der Valley of Fire State Park

Wir verbringen nur einen Tag im Valley of Fire State Park, aber der hat es in sich. Da erwandern wir einige Trails, schauen uns die schönen rot gestreiften Steinformationen, ungewöhnlich geformten Sandsteine die Bienenstöcken ähneln, Petroglyphen und Slot Canyons an. Die Erwartungen an die Slot Canyons sind hoch. Wir kommen zu der Erkenntnis, dass sich diese nicht mit den engen, verwinkelten, schmalen, hohen Slot Canyons im Grand Staircase-Escalante National Monument vergleichen lassen. Für uns bleiben diese dort einfach unschlagbar.

Das nette Valley of Fire liegt hinter uns und die Sonne will heute entlang des Lake Mead nicht recht hinter den Wolken hervor schauen. Azurblau sollte er eigentlich sein und unzählige Wohnmobile, die mehr oder weniger dauerhaft dort stehen, anlocken. Entlang dieses Sees, mitten in der sandigen Einöde, sehen wir beides nicht. Dieser künstlich geschaffene See dient der Erzeugung von Strom aus Wasserkraft und als Speichersee für die Trinkwasserversorgung des trockenen Süd-Kaliforniens. Weiter wird der Lake Mead für die Bewässerung der Felder in Arizona, Nevada und Kalifornien genutzt. Er ist aber auch ein Naherholungsgebiet und Ausflugsort für die Leute und Touristen aus dem nahe gelegenen Las Vegas.

Hoover Dam – nationales, historisches Wahrzeichen

Wie kam es denn dazu auf der Grenze zwischen Nevada und Arizona ein Wunder der modernen Ingenieurskunst zu errichten? Um die Wende des 20. Jahrhunderts versuchten Bauern mit diversen Kanälen den Colorado River umzuleiten, Wasser abzuzwacken und es zur Bewässerung zu nutzen. Doch der Colorado River war kaum zu zähmen. Tosend zerschellte er die Kanäle und es kam zu grossen Überschwemmungen. Der tobende Fluss musste irgendwie kontrolliert werden und der Staudamm wurde entworfen.

Eng war der Zeitplan. Nur fünf Jahre dauerte der Megabau und sollte eben einerseits zur Kontrolle und Bewirtschaftung des Colorado Rivers führen sowie andererseits zur Wasser- und Stromversorgung der umliegenden Gebiete. Während sich die Weltwirtschaftskrise abspielte, kamen tausende hoffnungsvolle Arbeiter und schlugen ihr Lager in der Wüste auf. Wände des Canyons wurden gesprengt, Umleitungstunnels für das Wasser gebaut, mit Beton gefüllte Eimer mit Seilbahnen über den Canyon transportiert und die 221m hohe Wand errichtet. In die zahlreichen Betonblöcke wurden Wasserleitungen eingebettet, durch die gekühltes Wasser zirkulierte. Dadurch konnte die beim Abbinden des Betons entstandene Wärme reduziert werden. Dies war enorm wichtig, damit sich keine Risse im Beton bildeten.

Hätte man die Mauer „en bloc“ gegossen, so wären zum Auskühlen mehr als 100 Jahre notwendig gewesen. 1935 wurde der Hoover Dam von Präsident Franklin Roosevelt eingeweiht. Er erfüllte das Ziel, den wilden Colorado River durch die ausgedörrte Landschaft des Südwestens zu leiten und die Entwicklung von Grossstädten wie Los Angeles, Las Vegas und Phoenix voranzutreiben. Und somit hat die Staumauer den riesigen Lake Mead geschaffen.

Aufsparen

Grosse Nationalparks, landschaftliche Wunder und geschichtsträchtige Ort der Indianer liegen zum Greifen nahe. Dennoch sparen wir die im Reiseführer hervorgehoben Orte wie Death Valley, Grand Canyon, Mesa Verde, etc. auf. Nicht weil es uns nicht interessiert, sondern weil es an vielen Orten bereits ungemütlich kalt ist.

Vielleicht fragst du dich jetzt, warum die Kälte ein Problem für uns darstellt und wir sie in so vielen Blogbeiträgen erwähnen, schliesslich hat ein bisschen Wintercamping noch niemandem geschadet. Wir sind so ausgestattet, dass es bei -10 Grad immer noch möglich ist im Manny zu leben. Aber bei diesen Temperaturen wird das Leben in dem Minizuhause anstrengend und zermürbend. Durch den beschränkten Platz treten wir uns zu oft auf die Füsse und sitzen definitiv zu nahe aufeinander.

Gekocht und abgewaschen wird draussen. Sobald sich alle Camper um uns in ihrer Kabine oder ihrem Van auf dem breiten Sessel verziehen, heiss Duschen oder im Innern warm Abwaschen, kommt etwas Neid auf und stachelt uns an von einem grossen Expeditionslastwagen zu träumen.

Für ein paar Tage ist das alles kein Problem, aber wir sind müde. Wir wollen Temperaturen im zweistelligen Plusbereich und überspringen deshalb grosse, wahrscheinlich grandiose, Sehenswürdigkeiten in Arizona. Die Lust aufs Durchbeissen ist uns vergangen, auf geht‘s ganz in den Süden an die mexikanische Grenze.

Eine Wüste voller Leben

Im Süden von Arizona gelangen wir in die Sonora-Wüste, welche zum grössten Teil in Mexiko liegt. Die Vegetation hat sich komplett verändert. Sand, Steine, Felsen, kleine Büsche, Sträucher und die unterschiedlichsten Kakteen begegnen uns. Die Luft ist trocken. Brauntöne mit vielen grünen Stacheln dominieren das Erscheinungsbild. Die Lage und die Geografie der Sonora-Wüste macht sie zur heissesten, feuchtesten und botanisch vielfältigsten Wüste Nordamerikas. Ja, wir fühlen uns als seien wir mitten in einem riesigen botanischen Garten. Dennoch, die Wüstenbewohner hier mussten sich an extreme Temperaturen, intensive Sonne und wenig Regen anpassen. Vielen verschiedenen Pflanzen und Tieren ist das gelungen und sie füllen die Wüste mit Leben.

Botanischer Exkurs

Wir steuern das Organ Pipe Cactus National Monument an und tauchen ein in die stachlige, piksende Pflanzenwelt. Fasziniert schenken wir den unterschiedlichsten Pflanzen unsere Beachtung. Dabei entdecken wir den Orgelpfeifenkaktus. Ein säulenartiger Kaktus dessen Arme im Juni und Juli mit weissen, stark duftenden Blüten und Früchten bedeckt sind. Der Duft lockt Blütenfledermäuse aus Mexiko an, die durchs Fressen der Früchte und verteilen der Samen den Fortbestand des Orgelpfeifenkaktus in der Wüste sichern. Wenige Schritte weiter wächst ein Feigenkaktus. Er hat sich so an die Wüste angepasst, dass er seine Blätter vollständig senkrecht stellt, damit ihn die brennende Mittagssonne nur an ihren schmalen Rändern trifft. Dies bewahrt ihn vor Sonnenbrand. Dessen Früchte lieben nicht nur wir, sondern sind auch für viele Tiere hier überlebenswichtig.

Unweit davon steht ein Wald aus Dornen. An dem fahlgelben, baumartigen Kaktus (Fruchtketten-Chollakaktus) hängen lange Fruchtketten mit Stacheln und Widerhaken. Streift ein Tier vorbei, fallen diese Fruchtglieder leicht ab, heften sich ins Fell oder die Haut und werden durch die Wüste transportiert. Sind die Bedingungen am neuen Ort günstig für die Frucht, wächst daraus ein neuer Kaktus.

Wir staunen, wie uns diese Pflanzen in ihren Bann ziehen. Flauschig und niedlich schaut der Teddybär-Cholla aus. Aber aus der Nähe sehen wir, dass da nichts Flauschiges ist. Tausende von Stacheln übersähen die Pflanze und spenden dem Kaktus Schatten. Unser Blick schweift weiter vorbei an Agaven, Jojobasträuchern, Mesquitebäumen, Kreosotesträuchern und vielen weiteren Pflanzen.

Müde vom Unterwegssein in dieser staubig trockenen und doch ganz grünen Wüste steuern wir seit langem mal wieder einen Campingplatz an. Dadurch müssen wir nicht noch viele Kilometer aus dem National Monument fahren, um einen Übernachtungsplatz zu finden.

Auf dem Campingplatz bilden sich grosse Fragezeichen auf unseren Stirnen. Weshalb haben alle Camper, Vans und Wohnmobile die Motorhaube geöffnet? Anscheinend ist dies eine effektive Methode, um ungebetene Gäste auszuladen. Ist der Fluchtweg für die von unten eindringenden Buschratten versperrt, würden sie alles annagen und mit dem Nestbau im Motorraum beginnen. Wir hatten schon Mäuse im Manny, jetzt noch nestende Buschratten? Nein, lieber nicht. So lassen auch wir die Motorhaube jeweils geöffnet und freuen uns schlussendlich darüber keinen blinden Passagier mitzuführen.

Wächter der Wüste

Zeichne mal einen Kaktus! Egal ob wir das ein Kind fragen, oder dich, die Kaktusskizze würde wahrscheinlich ähnlich aussehen: Einen grünen, stachligen, säulenförmigen Stamm mit vielleicht so zwei, drei Armen – stimmt’s? Genau, und schon hast du einen Saguaro gezeichnet. Im südlichen Arizona ist er vielerorts allgegenwärtig.

Doch um Tucson drängt sich regelrecht einen Saguaro an den nächsten. Ein richtiger „Kakteenwald“, soweit das Auge reicht. Die Riesen sammeln sich in Talkesseln, an Berghängen und bevölkern weite Ebenen. Wir müssen uns richtig zurückhalten, nicht mal einen zu Umarmen. Sie sehen so kuschlig aus. Doch betrachten wir sie aus der Nähe, bemerken wir, dass sie nichts Kuschliges haben. Spitzige Stacheln säumen die ganze Pflanze. Ihre Arme wachsen in den wildesten Verrenkungen aus ihrem Stamm, mal nur einer, mal mehrere. Bis es aber soweit kommt, vergehen rund 70 Jahre. Obwohl ein Saguaro uns um viele Meter überragt, wächst er gerade zu Beginn sehr langsam und ist viele Jahre auf eine schützende Ammenpflanze angewiesen. Wir spazieren ehrfürchtig durch den Wald von diesen ausdauernden Trockenkünstlern. Gewisse Saguaros weisen Löcher auf. Mutige Vögel nisten dort im kühlen, geschützten Schatten. Einige dieser Kakteen sind schon so uralt, dass nur noch ihr hölzernes Gerippe übrig ist.

Wie Wächter der Wüste stehen sie hier im endlos scheinenden Wald und blicken von hoch oben über das Land. Beim Anblick jedes Einzelnen, scheint es, als hätte man es mit einer eigenen Persönlichkeit zu tun. Immer wenn es sich so anfühlt, dass wir den Grössten entdeckt haben, taucht wieder einer auf, der noch weiter in den Himmel ragt.

Unterwegs nach New Mexiko

Wir verbringen viele gemütliche Tage in der Wüste, im südlichen Arizona. Es gefällt uns sehr und die Temperaturen bieten an, entspannt den Nachmittag draussen im Campingstuhl zu verbringen, ein Koch- und Backfiesta zu veranstalten, Tobis Geburtstag an der Sonne zu feiern, Gottesanbeterinnen und Schlangen zu beobachten oder bei Spaziergängen die Natur zu geniessen.

Langsam bringt uns Manny immer weiter Richtung Osten. In der Ferne tauchen Berge auf. Teilweise liegt ein feines Säumchen Schnee auf den Spitzen. Wir fahren in die Berge und werden mit spektakulären Felsformationen überrascht. Ein Vulkanausbruch bildete vor langer Zeit diese Gesteinsschicht, die mittlerweile erodiert, zerklüftet und die interessanten Felsensäulen des Chiricahua National Monuments entstehen liess.

Auf unserer Karte entdecken wir eine Piste durch die Berge nach New Mexiko. Im Winter soll sie geschlossen sein. Da wir im Visitor Center vom Chiricahua National Monument nur spärliche Informationen zu dieser Strasse erhalten, wir aber richtig Lust haben über Land weiter zu reisen, starten wir einen Versuch. Umkehren können wir ja bestimmt… Eine Staubwolke wirbelt hinter Manny durch die Luft und wir kommen ganz flott voran. Die Piste wird schmaler und steiler. Ein Tunnel aus übergreifenden Eichen und Bergahorn windet sich mit vielen engen Kurven den Berg hinauf. In der Ferne sehen wir verdunkelte Stämme, Überreste von einem Waldbrand.

In gemächlichem Tempo erklimmt Manny Höhenmeter um Höhenmeter. Einzig an einigen schattigen Stellen liegt Eis, doch problemlos geht die Fahrt bis auf die Passhöhe. Auf unserer To-do-Liste steht seit einiger Zeit Bremsbeläge wechseln. Um diese etwas zu schonen, macht sich Manny in der Untersetzung, also im Kriechgang, an die Abfahrt. Nach wenigen Kurven ändert sich die Vegetation. Bäume verschwinden, Steine, Felsen, Büsche und Kakteen gewinnen die Überhand. Im winzigen Dörfchen Paradise treffen wir seit langem mal wieder auf schöne, farbige Häuschen. Langsam, aber stetig geht es hinab. Den Pullover haben wir ausgezogen, kurz danach die Lüftung angelassen und als wir das Flachland erreichen, öffnen wir die Scheiben, um uns vom Fahrtwind etwas abzukühlen. Vor uns steht das Schild: Welcome to New Mexico!

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