Ein bisschen anders
Wir düsen am Westufer des Sankt-Lorenz-Stroms entlang. Es ist ein idealer Ort um Belugas zu beobachten. Na ja, so viel Glück haben wir dann doch nicht. Bei uns schaukelt das tiefblaue Meer sanft und ruhig vor sich hin, Möwen fliegen herum, die allerersten Wiesenblumen blühen und die Frühlingssonne lädt ein, langsam draussen zu verweilen. Strassencafés erwachen aus dem Winterschlaf und Pärke, Campingplätze und Touristenbüros erledigen die letzten Arbeiten um in die Saison zu starten.
Es herrscht französisches Flair. Augenfällig sind Boulangerien, Croissant au chocolate, Kirchen im französischen Stil und statt „drive thru“ heisst es nun „service au volant“. Bis anhin war vieles zweisprachig angeschrieben, nicht so ist es aber hier in der Provinz Québec. Da wird meistens alles nur in Französischer Sprache genannt. Auch werden wir gefordert unser Französisch wieder auszupacken, denn auf die höfliche Frage „Parlez-vous anglais?“, erhalten wir stets ein „Non“ zur Antwort.
Québec ist mit fast 15% Steuern, die auf jeden angeschriebenen Preis aufgeschlagen werden, die teuerste Provinz. Seit Jahrzehnten wünschen sich einige Menschen die Unabhängigkeit Québecs von Kanada. Die heisse Diskussion hat bereits zu zwei Referenden geführt, die knapp abgelehnt wurden. Besonders die junge Generation und die urbane Gesellschaft sind heute wenig interessiert an der Unabhängigkeit von Québec.
Eine Reihe von Städtetrips
Für kanadische Verhältnisse nahe beisammen und fast auf einer Geraden liegen Québec City, Montréal, Ottawa und Toronto. Kleinere und grössere Städte, die bekannt sind und wo sich ein Besuch bestimmt lohnt. Doch Städte haben bei uns im Moment nicht so viel Priorität. Sie bergen Herausforderungen fürs Leben im Manny. Wo parken wir ihn? Wo können wir in ihm Schlafen, aufs WC, etc.?
Wir verbinden die Städte mit dem Besuch von lieben Menschen oder eigentlich anders rum. Wir besuchen liebe Menschen und geniessen das Stadtleben. Es ist eine herrliche und willkommene Abwechslung zum zweisamen Alltag in der Natur.
Québec City
Der erste Stadtausflug führt uns nach Québec City. In Gehdistanz zur Altstadt finden wir einen Parkplatz, auf dem wir ein paar Tage wohnen. Wir ziehen unsere stadttauglichen Kleider an und tauchen ein ins Gewusel.
Majestätisch steht das Château Frontenac über der Altstadt, Strassenmusikanten spielen in den Gassen, Künstler präsentieren ihre Malereien und Touristen schlürfen ein Glas Weisswein. Québec City könnte eine Stadt irgendwo in Frankreich sein. Viele Eindrücke prasseln auf uns ein. Es ist laut und lebendig. Nicht lebendig, weil die Altstadt lebt, nein, sondern weil zahlreiche Touristen in den Gassen hektisch umherwuseln. Es zieht uns mehrmals in die Parks. Da ist es gelassener. Kinder spielen, Eichhörnchen klettern auf die Bäume, Velofahrer und Jogger drehen ihre Runden und wir erholen uns von der Reizüberflutung.
Vor den Toren der Stadt
Eine weite Parkanlage erstreckt sich von der Citadelle entlang der steilen Klippen oberhalb des Stankt-Lorenz-Stroms südwestwärts. Am 12. September 1759 fand auf dieser Ebene von Abraham, wie sie genannt wird, die Entscheidungsschlacht zwischen den französischen und britischen Armeen statt. Damit entschied sich das Schicksal von Québec City und vieler französischer Territorien im östlichen Nordamerika, die später in britischen Besitz übergingen. Weg vom Trubel streifen wir durch diese Geschichte, wo einst der britische General James Wolfe mit seinem geheimen Angriffsplan alle überraschte und die Stadt einnahm.
Parkieren verboten?
Wir stehen mit Manny mitten in Montréal, in der Strasse, wo wir ein paar Tage mit Tobis ehemaligem Mitbewohner und seiner Frau verbringen dürfen, vor einer Metallsäule mit zahlreichen Strassenschildern. Regelbewusst wie wir sind, beginnen wir sie von oben nach unten zu lesen. In etwa steht da „Parkverbot von Dezember bis April“. „Verboten zu Parken jeweils donnerstags von 13.00-14.00 Uhr und montags bis freitags von 8.00-11.00 Uhr und 13.30-18.00 Uhr“… oder so ähnlich. Wenige Meter von dieser Signalsäule entfernt, steht die nächste mit ebenso vielen anderen Vorschriften. Wir sind verwirrt und parkieren auf gut Glück. Wahrscheinlich braucht man heimisch zu sein, um diese Signale zu verstehen und prompt, ehrlich gesagt haben wir es geahnt, steht Manny im Parkverbot.
Langes Wochenende in Montréal
Wir sind bei Oli und Marie zu Besuch und lernen durch sie ihr Montréal kennen. Vielen lieben Dank nochmals für die entspannte und lustige Zeit, die Newfie-Witze und dass ihr uns mitgenommen habt, in eure Stadt einzutauchen. Der Kontrast und die Vorzüge einer Stadt sind riesig und wir geniessen es. Kulinarisch werden wir mit französischem Essen verwöhnt. Aber auch die Spezialität Poutine lassen wir uns nicht entgehen. Poutine sind Pommes Frites in Bratensauce mit Käsewürfeln, natürlich in den verschiedensten Variationen und mit vielen Extras. Es klingt schon ein bisschen sonderbar, aber schmeckt lecker.
Auf einem ausgiebigen Spaziergang durch die Stadt erklimmen wir den Mont Royal. Diese Erhebung ist ein riesiger Stadtpark mit toller Aussicht auf die Skyline von Montréal. Viele Menschen sind draussen unterwegs, Musiker spielen auf Plätzen und die Terrassen sind gut gefüllt. Wir testen die eine oder andere Brauerei und entspannen unsere Füsse. Aber Montréal zeigt sich nicht nur mit Sonnenschein. Ein regnerischer Tag verbringen wir im Randolph und testen diverse Brettspiele. Die Atmosphäre in dieser Stadt gefällt uns. Das Leben pulsiert und wir entdecken richtig schöne Wohnquartiere. Aber keine Angst, wir sind nicht geblieben. Es lockt eine neue Provinz, die grössten Seen der Welt und eine weitere Millionenstadt.
12-spurige Autobahn
Lange sind wir am Sankt-Lorenz-Strom „aufwärts“ gereist, bis zum Ontariosee. Hier verlässt das Wasser den See. In dieser Gegend befinden sich 1864 Inseln. Nicht umsonst wird dort die Grenzregion zwischen Kanada und der USA „Thousand Islands“ genannt. Da gibt es eine Menge zu erkunden. Gemächlich fahren wir durch kleine Städtchen, vorbei an riesigen Apfelplantagen und grossen Anwesen.
Viele Kilometer vor Toronto merken wir, dass wir auf eine sehr grosse Stadt zufahren. Der Verkehr nimmt zu, aber auch die Anzahl Spuren auf der Autobahn. Tobis Fahrroutine zahlt sich aus, denn Torontos Stassen sind berühmt und berüchtigt für wilden Verkehr und viel Stau. Wir bleiben glücklicherweise von beidem verschont. So meistern wir die Fahrt auf der zwölfspurigen Autobahn (zwölf Spuren in jede Fahrrichtung) in die Millionenmetropole problemlos.
Zu Besuch in Toronto
Michael von Kanada haben wir schon viele Jahre nicht mehr gesehen. Jetzt sind wir in Toronto und möchten ihn besuchen. Aus einem kurzen Besuch wird eine Woche und unser Toronto-Aufenthalt wird durch ihn und Fred ganz besonders. Michael nimmt uns mit durch sein Toronto, von früher bis heute, zu Fuss über die Uferpromenade des Ontariosees, mit dem Auto quer durch die Stadt von Downtown nach Little Italy, Greektown, Chinatown, Little India und in viele weitere sagenhafte Ecken, zum Friedhof, zu Schulen, zum Einkaufen, in den Park und durch sein Wohnquartier. Fred zaubert in der Küche und verköstigt uns mit Feinstem. Sein Cheese Cake ist ein wahrer Gaumenschmaus.
Regentage verbringen wir im Science Museum oder in der guten Stube unserer lieben Gastgeber. Wenn die Sonne scheint, zieht es uns nach draussen. Von den Toronto Islands blicken wir auf die gigantischen Wolkenkratzer, welche sich entlang des Ufers auftürmen. Lange geniessen wir diesen Ausblick auf die Skyline der Stadt. Zwischendurch schnuppern wir in Mikrobrauereien hinein und probieren ab und an ein Schlückchen.
Eintauchen in die multikulturelle Stadt macht richtig Spass. Viele Einwohner Torontos stammen aus aller Welt und haben in ihrer neuen Heimat voller Stolz ihre eigenen kleinen Communities gegründet. Essen, Musik, Festivals, Läden und weiteren Lifestyle transportieren uns für kurze Momente nach Äthiopien, Portugal oder in die Türkei. Auf so einem kleinen Ort eine so grosse Vielfalt zu erleben, ist wunderschön.
Ausflug an die Niagarafälle
Michael fährt mit uns zu den Niagarafällen. Es herrscht einen ordentlichen Touristenandrang. Aber wir sind ja auch bei der Nummer-1-Sehenswürdigkeit Kanadas und dass hier Touristen sind, ist klar. Die Fälle sind spektakulär. Das Wasser fällt nicht sehr tief, aber dafür in einer Masse wie wir es sonst noch nirgendwo gesehen haben. Gelingt es, die Touristen, Hotels, das Casino und alles weitere Unnatürliche auszublenden, sich ausschliesslich mit einem Röhrenblick auf das Naturwunder zu fokussieren, fesselt es. Vielleicht kennt ihr das, wenn man stundenlang in die Flammen eines Feuers schauen kann, berührt ist und das Ganze nicht in Worte fassen kann. Genauso ergeht es mir bei den tosenden Wasserfällen. Gebannt, beeindruckt und überwältigt von der immer fliessenden und riesigen Wassermenge sauge ich jeden Moment in mich auf.
Gespiesen werden die Wasserfälle vom Niagarafluss, der den Eriesee mit dem Ontariosee verbindet. Als hier am Ende der letzten Eiszeit die letzten Gletscher schmolzen, kam der Eriesee zum Überlaufen und bildete den Niagarafluss. Das Wasser des Flusses ergiesst sich seitdem über die Niagara-Schichtstufe zum Ontariosee. Die Niagarafälle wandern durch Erosion des weichen Schiefergesteins ständig Richtung Eriesee. Seit ihrer Entstehung sind es bereits rund elf Kilometer. Um dieses geologische Phänomen zu verlangsamen wird ein Teil des Flusses zu umliegenden Kraftwerken umgeleitet und die Wassermassen zur Stromerzeugung genutzt.
Der Ausflug rundet die Zeit in und um Toronto glorreich ab. Die ganze Woche war ein echt tolles und unvergessliches Erlebnis. Von ganzem Herzen danken wir euch zwei Torontonians für die gemeinsame Zeit und jedes Mal wenn wir ein Swiss Chalet sehen, werden wir an euch denken.