Totempfähle, Goldrausch und Natur pur in British Columbia

Erneut erwarten wir Besuch

Aufgeregt warten wir irgendwo in der Pampa nahe des Yellowhead Highways auf unseren Besuch. Ja, wir Glücklichen werden tatsächlich schon wieder besucht. Kaum sind Claudia und Simon abgereist (hier könnt ihr den Reisebericht über die Zeit mit ihnen nachlesen), dürfen wir nämlich erneut aus unserem zweisamen Alltagstrott ausbrechen und die Zeit mit Tobis Eltern geniessen. Toll, einfach genial!

Auf dem Kocher brutzelt eine Tomatensauce, die Sonne geht langsam unter und in der Dämmerung kommen Brigitte und Dani das Strässchen hinuntergelaufen. Die Wiedersehensfreude ist riesig, die Umarmungen kräftig. Sichtlich mitgenommen von der Monsteranreise, aber überglücklich, stürzen wir uns alle auf die Köstlichkeiten und können es kaum fassen einander so nahe zu sein.

Gemächlich Ankommen

Mal richtig ankommen und die Ruhe finden, sind die ersten Ziele. Dazu kennen wir passende Orte, die uns diese Gefühle vermitteln. In British Columbia gibt es nämlich eine geniale Dienstleistung, die sich Recreation Site nennt. Dies sind ganz kleine, einfache, meist wunderschöne, teilweise abgelegene Campingplätze mit einem Plumpsklo, einem Picknicktisch und einer Feuerstelle. Das Beste ist, sie sind gratis und erleichtern die Suche nach einem schönen Übernachtungsplatz ungemein. Mitten in der Natur, umgeben von herrlicher Landschaft und Stille können wir an diesen Plätzchen so manche Lagerfeuerabende geniessen.

Genau an so einem Ort tauchen wir nach Brigittes und Danis Ankunft ab, lauschen dem tosenden Fluss, schwitzen beim Holzen, beobachten die unzähligen Libellen, wärmen uns am Feuer und unser Besuch sichtet ihr erster Bär. Trotz empfindlicher Kälte plaudern wir bis spät in die Nacht. Einzig das Funkeln am dunkeln Himmelszelt fehlt, denn die Wolken sind dicht und wir ahnen was auf uns zukommt.

Wasserfälle, Wasserfälle, Wasserfälle

Bekannt als Land der Wälder, Flüsse, Seen und Wasserfälle ist der Wells Gray Provincial Park. Etwas abseits des touristischen Hauptpfades liegt die tiefe Wildnis mit den unterschiedlichsten Wasserfällen, wobei jeder seinen eigenen Charakter zeigt und sich spannend in der Landschaft inszeniert: Ein dünner Rinnsal über eine Felsklippe, sprudelndes Wasser über eine breite Wand wie bei den Niagarafällen oder der 141 Meter hohe Fall, welcher in einen tief ausgehöhlten Canyon stürzt. Letzteres ist total beeindruckend. Eine ganze Weile stehen wir am Zaun des Helmcken Wasserfalls und geniessen den Anblick, saugen ihn auf. Um uns knarren und ächzen Bäume, die sich ineinander verfangen haben. Ab und an, wenn die Sonne durch die Wolken blinzelt, zaubert sich ein farbiger Regenbogen in die Gischt.

Goldrausch in British Columbia

Die zentrale Region von BC wurde durch einen einfachen englischen Goldsucher, William Billy Barker, geprägt. Auf seinen Spuren fährt nun Manny gefolgt vom Miet-Wohnmobil nordwärts. Um 1850 verlangsamten sich die Goldfunde auf den amerikanischen Goldfeldern und es tauchten Gerüchte über neue Goldfunde am Fraser River im heutigen Kanada auf. William Billy Barker wanderte daraufhin mit Tausenden von Männern nach Norden. Seine grosse Wanderung endete schliesslich in Richfield und er versuchte am William’s Creek Gold zu schürfen. Dies war leider ziemlich erfolglos und erst als er, trotz Entsetzen und Kopfschütteln vieler Leute, beschloss in der Gegend viel weiter stromabwärts am Bach Gold zu suchen, wurde er endlich fündig.

Barkerville

Zu jener Zeit wurden zahlreiche neue Goldgräberstädte gegründet, so auch Barkerville. Erst bestand der Ort nur aus Zelten und schlichten Hütten. Doch die Bevölkerung wuchs, Häuser wurden gebaut, Läden eröffnet, der Schmied heizte seinen Ofen ein, Saloons, Theater und Bordelle eingeweiht, eine Tageszeitung wurde gedruckt und die Schule eröffnet. Vier Jahrzehnte später mit dem Ende des Goldrauschs verliessen viele Barkerville und der Ort wurde zur Geisterstadt. Noch heute als Nationale Geschichtsstätte mit zeitgenössisch gekleideten Schauspieler, ist die aussergewöhnliche Stadt ein Zeugnis für die goldenen Anfänge von BC und es gibt viel zu entdecken.

Auf zum Fort St. James

Im Hoheitsgebiet der Nak’azdli First Nation errichtete 1806 Simon Fraser den ersten Handels- und Versorgungsposten am Stuart Lake. Der Pelzhandel war zu dieser Zeit voll im Gange. Die französisch-kanadischen Händler schlossen Ehen mit den Einheimischen und lernten deren Sprache. Fünfzehn Jahre später übernahm die Hudson’s Bay Company das Fort und die Zusammenarbeit mit den ortsansässigen Fallenstellern und Fischer.

Im kleinen Geschäft des Forts wanderten tausende Pelze über die Ladentheke und die Waren wurden getauscht. Unweit davon wurden die Prachtstücke gelagert, gebündelt und bereit gemacht für die weite Reise in den Süden. Die Route führte durch unwegsames Gelände, auf Pferden und Schiffen, bis zum Pazifik. Auf dem Meerweg gingen die Pelze weiter bis Victoria auf Vancouver Island. Mit einem Blick auf die Karte ist es schon sehr eindrücklich wie weit in den Westen die Hudson‘s Bay Company damals vorgedrungen ist, vor allem, wenn man bedenkt, dass das heutige Kanada damals keine Strassen, dafür aus umso mehr dichtem Wald bestand.

Heute dient die kleine Siedlung als Freilichtmuseum und bietet einen authentischen Einblick in das harte und teilweise einsame Leben der Händler und Siedler. Historisch gekleidete Leute erklären uns den Zweck der einzelnen Räume und natürlich können wir beim legendären Hühner- und Entenrennen auch noch auf das schnellste Federvieh wetten.

Wir sind Wet’suwet’en – Seid willkommen!

Seit Tausenden von Jahren leben in diesem weiten und üppigen Flusstal Wet’suwet’en. Die Verbindungen zum Fluss sind tief und alt und für diese Menschen ist er eine Quelle des Überlebens, des Reichtums und ihrer Kultur. Direkt am Fluss entstand das kleine Dorf Witset. 1887 zog der katholische Missionar Pater Morice nach Witset, um dort eine katholische Gemeinschaft aufzubauen. Er begann, die Gemeinde Moricetown zu nennen, was später der Name des First Nation Reservats wird. Erst im Jahr 2018 wurde der traditionelle Name der Gemeinde wieder offiziell bestätigt.

Die Bedeutung des Flusses ist enorm. Gespannt schauen wir den einheimischen Fischern zu, wie sie auf die Rückkehr der Lachse warten. Sie könnten jeden Augenblick kommen. Man spürt die Anspannung. Sie stehen an Seilen festgebunden an den Wänden des Canyons und versuchen mit ihrem Netz die Lachse im rauschenden Wasser unter den Wasserfällen zu fangen.

Unweit davon steht eine traditionelle Räucherei. Das Feuer brennt und aus allen Ritzen der Holzhütte qualmt der Rauch. Die Lachse werden dort filetiert, aufgehängt und über Tage geräuchert. Da die Fische erst spärlich zurück sind, hat es in der Räucherei auch Platz für einen Elch. Irgendwie scheint es auch eine Art Treffpunkt zu sein. Auf Plastikstühlen nehmen immer mal wieder Einheimische, die vorbeispazieren, Platz, unterhalten sich und schnabulieren ab und zu ein bisschen Fisch. Grosszügig werden ihre Leckereien auch uns angeboten. Wir fühlen uns unglaublich Willkommen und geniessen das Eintauchen in diese Kultur.

Bei den Gitxsan

Wir ziehen weiter nach Hazelton, natürlich im Regen. Abgeschieden und naturnah leben in der idyllischen Landschaft beim Zusammenfluss zweier Flüsse die Gitxsan, ein anderes Volk der First Nation. Die teilweise sesshaften Indianer konnten ihre Kultur lange halten und hatten in ihrem Siedlungsgebiet alles was sie zum Leben brauchten: Wild, Beeren, Fische, Holz und frisches Wasser. Im Sommer zogen sie mit den Zelten umher und legten Vorräte an und im Winter lebten sie in Gemeinschaften in Langhäusern aus Zedernholz.

Im rekonstruierten Gitxsandorf Ksan tauchen wir ein bisschen in die Kultur des „Volkes vom Fluss im Dunst“ ein. Durch eine niedrige Tür führt uns ein junger Gitxsan in ein Langhaus. In der Mitte befindet sich eine Feuerstelle und entlang der Wände ein Holzpodest worauf die rund 60 Leute im Winter lebten. Mit dem Stapeln von Holzkisten konnten die Familien etwas Privatsphäre in der grossen Halle schaffen.

Im Wolf Haus, werden traditionelle Feste gefeiert. Rechte und Pflichten, Stammesangelegenheiten und die bei der Geburt, in der Pubertät, bei der Hochzeit oder dem Tod geerbten Privilegien, werden bei traditionellen Festen aufrechterhalten und bestätigt. Die Feiern dauern unterschiedlich lang und dabei werden Essen sowie materielle Güter gemeinschaftlich geteilt und ausgetauscht.

Die Gitxsan sind in vier Klans gegliedert. Die Zugehörigkeit zu einem Klan richtet sich nach der mütterlichen Linie.

Kunsthandwerk Totempfahl

Die Gitxsan sind handwerklich geschickt und bekannt für ihre Schnitzereien. Wir begegnen einem Künstler, der dabei ist, seine Geschichte als Totempfahl zu schnitzen und uns sein Kunsthandwerk zeigt. Die Präzision seiner Arbeit ist beeindruckend, die Figuren ausdrucksstark. Begeistert verweilen wir und dürfen das Schnitzen sogar selber ausprobieren.

Zahlreiche, historische Totempfähle stehen für die Vergangenheit des Volkes und stellen ein Wahrzeichen eines Klans oder die Geschichte einer Familie dar. Ein Totempfahl ist sozusagen ein Wappenpfahl. In Kispiox und Kitwanga lassen sich viele alte Totempfähle aus der Nähe betrachten. Ihre Geschichte wird von unten nach oben gelesen. Auf dem soliden Sockel ruht das ganze Gewicht und geht weit hinauf bis zur Figur an der Spitze, die zum Himmel und auf die unbegrenzten Möglichkeiten deutet.

Abstecher in die USA

Hyder ist ein kleiner Ort in Alaska, USA, welcher nur über eine Strasse aus Kanada erreicht werden kann. Die Strasse endet einige Meilen ausserhalb im Minengebiet. Vor Hyder gibt es keinen US-Grenzposten und deshalb müssen wir uns auch keine Sorgen über einen ungewollten Start unseres US-Visums machen. Wir können den Abstecher also wagen.

Am Fish Creek in Hyder lassen sich, von einem Steg aus, Bären beim Lachsschmaus beobachten. Ob die grossen Fische bereits von ihrer langen Reise zurück sind? Das Flüsschen dümpelt vor sich hin. Leer, die Fische sind noch nicht da. Wir suchen die Gegend nach Bären ab und sehen kurz einen kleinen Schwarzbären durchs Gebüsch streifen. Aber nicht nur diese grossen Tiere sind faszinierend. Auf einem Ast im Gebüsch füttert eine Vogelmutter ihre drei Jungen. Irgendwie ist es ganz schön spannend ihr dabei zuzuschauen.

Verweilen bei den Gletschern

Jetzt sind wir schon mal in der USA und da wollen wir schauen wohin diese ruppige Piste führt. Wir klettern Höhenmeter und tauchen ein in den Nebel. Das Schild beim Aussichtspunkt deutet an, dass unter uns der Salmon Glacier sein wird. Die Schönheit des Eisfeldes können wir aber nur erahnen. Wir wagen es einfach noch ein bisschen weiter zu fahren, schliesslich geht es hinab und irgendwann werden wir wohl wieder unter der Nebeldecke sein. Gute Entscheidung, denn wir finden ein schönes Plätzchen umgeben von Bergen und wie wir in den nächsten Tagen erfahren auch unweit von herrlichen Gletschern.

Wieder ein Abschied

Die Zeit vergeht wie im Flug. Wir haben viele Kilometer zurückgelegt, sind in diverse Geschichten eingetaucht, haben die Natur genossen und viele tolle Momente zusammen erlebt. Schon heisst es Brigitte und Dani Tschüss zu sagen. Sie sind doch eben erst abgekommen, so fühlt es sich zumindest an… Es war unglaublich toll euch so nahe zu sein. Vielen herzlichen Dank für die abwechslungsreiche, entspannte und lustige Zeit. „Hafechabis“ haben wir in unseren Menüplan aufgenommen, das Rummikub so versorgt, dass wir es bei eurem nächsten Besuch hervornehmen können und alle wieder mitspielen werden, die Regenjacke endlich in den Schrank gepackt und für das stumpfe Beil ein Schleifstein organisiert. Dem nächsten Lagerfeuer steht also nichts mehr im Weg. Vielleicht in Mexiko?

Oh, du goldige Sonne

Tatsächlich kommt nach gefühlt wochenlangem Regen die Sonne und wir nutzen dies für den Frühlingsputz im Manny. Er hat es bitter nötig. Aber auch gemütliche Spaziergänge in der Umgebung lassen unser Herz höherschlagen. Der Blick von oben auf die Gletscher ist schlicht umwerfend.

Nach einigen Tagen Gemütlichkeit wird es dann doch wieder Zeit, zurück nach Kanada zu fahren. Dem Fish Creek statten wir erneut einen kurzen Besuch ab. Die ersten fünf Lachse sind heute früh zurückgekehrt. Puah, was für Prachtstücke! Und die kleinen Vögel können schon ganz schön lange alleine, piepsend im Nest auf die Mutter mit dem Futter warten.

Ab ins Yukon Territorium

Der Cassiar Highway wird immer spannender und abwechslungsreicher je weiter wir in den Norden kommen. Die Lastwagen, Helikopter, Baracken und massigen Strommasten in der hügligen Landschaft verschwinden und zahlreiche kleine Seen, wilde Natur und Tiere kommen zum Vorschein. Wir geniessen es an einem spiegelglatten See zu picknicken oder um den türkisfarbenen Boya Lake zu spazieren, Biberburgen zu beobachten, Schwarzbären beim Überqueren der Strasse zuzuschauen und endlich mal nur im T-Shirt draussen nicht zu frieren.

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Godel Walter und Ursula
Godel Walter und Ursula
29. Oktober 2019 18:05

Liebe Fränzi, lieber Tobias

Welch ein weiterer Genuss, eure Verschiebungen mitzuerleben.
Die digitalen Maps gestatten uns, euch auf den Spuren zu folgen.
Super diese Bilder, wenn auch das Wetter seine eigenen Pläne hat.
Schön, dass Dani und Brigitte einen Teil der grandiosen Reise
zusammen mit euch live miterleben konnten.
Hyder, der kleine Ort in Alaska, USA, wird ihnen bestimmt in bester
Erinnerung bleiben.
Der Grössenumfang der Distanzen ersehen wir bestens direkt
von Meisterschwanden, Dank digitaler Technik.
Beim Durchgang eurer interessanten Reisebeschreibungen stossen wir
öfters auf unsere Wissenslücken, welche wir via Wikipedia versuchen
zu schliessen.
Hier ein Beispiel …»Bei den Gitxsan» ..
Gitxsan bedeutet demnach etwa „Volk vom Nebelfluss, d.h. vom Skeena River
Ob dem so ist wisst ihr bestimmt bestens.
Wir wünschen euch weiterhin spannende und schöne Zeiten, folgend im Yukon Territorium.

Liebe Grüsse
Ursi und Walti

J.Peter-Michael Brattke
J.Peter-Michael Brattke
11. Oktober 2019 17:12

Der Bericht erlaubt dem Leser dabei zu sein. Ich bedanke mich sehr dafuer.