Sprint nach La Paz – Baja California Sur

Wir sind ungewohnt schnell unterwegs

Schon im nördlichen Teil der Baja sind wir mit grossen Schritten und zügig vorangereist und genauso ist es hier auf dem Weg nach La Paz. Wir dürfen es nicht einmal Streifzug durch Baja California Sur nennen, nein, diesen Bundesstaat sparen wir uns auf, um mit unserer Tochter die ersten Erfahrungen in Manny zu sammeln. Die Vorfreude ist gross, denn was wir beim Vorbeidüsen alles so entdecken, ist grandios.

Soeben sind wir an den drei inaktiven Vulkanen „El Viejo“, „El Azufre“ und „El Vírgen“ vorbeigefahren. Die Spitzen liegen heute in den Wolken. Ein Grund mehr die Wanderung aufzusparen, denn die Aussicht auf den Golf von Kalifornien soll von da oben atemberaubend sein.

Französische Traditionen in Santa Rosalía

Uns lockt das Küstenstädtchen Santa Rosalía an. Wir finden es seltsam, hier Häuser im französischen Baustil anzutreffen. Was da wohl für eine Geschichte dahinter steckt? Wir stürmen erst mal in die französische Bäckerei und probieren uns durch die leckere Confiserie. Fast richtiges Brot finden wir auch und füllen unseren Vorrat auf. Ja, wie gesagt, nur fast richtiges Brot. Da sind unsere Ansprüche und Erwartungen eben enorm hoch!

Strassen, Gebäude und Denkmäler transportieren uns nach Frankreich. Die Stahlkirche, Iglesia Santa Bárbara, hatte der Architekt Gustave Eiffel 1889 für die Weltausstellung in Paris entworfen. Später wurde sein Werk nach Brüssel verlegt, wo es von der Bergbaufirma El Boleo erworben und nach Mexiko gebracht wurde. Auch haben wir Geschichten gehört, dass die Kirche versehentlich in Santa Rosalía strandete. Wer weiss, genauer haben wir uns damit nicht befasst.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein seltsames grünliches Mineral in dem damals noch unbewohnten Gebiet um Santa Rosalía entdeckt. Es handelt sich um Kupfererz. Der damalige Präsident von Mexiko gewährte einem französischen Unternehmen El Boleo das Mineral zu schürfen. Bis 1954 florierte das französisch angehauchte Leben in der kleinen Minenstadt. Lange Zeit waren die Stadtbewohner die einzigen Menschen auf der Halbinsel, die Strom hatten. Hauptsächlich wurde dieser für die Aquäduktpumpen gebraucht, um die Leute mit Trinkwasser zu versorgen.

Traumstrände

Santa Rosalía ist zwar keine Ferienoase, aber ein toller Zwischenstopp. Noch mit zuckersüssem Geschmack im Mund zieht es uns direkt am Meer weiter via San Bruno nach Mulegé. Diese Missionsstadt liegt am Fluss inmitten eines herrlichen Palmenhaines. Für uns ein optimaler Ort, um lange zu verweilen, ja ehrlich gesagt ein kleines Paradies. Schnell wird es auf der Karte mit einem Sternchen für später markiert.

Wir fahren weiter entlang der Küstenstrasse mit Ausblicken auf das kristallklare Meer. Hier an der Bahia Conception reihen sich weisse Strände wie Perlen aneinander. Neben vielen Palapas steht ein Wohnmobil oder ein Van, wahrscheinlich Snowbirds aus dem Norden, die hier den Winter verbringen. Es scheint ein perfekter Ort zu sein zum Baden, Spielen, Seele baumeln, fischende Pelikane beobachten. Wir sind uns schnell einig, da an diesen Traumstränden werden wir als kleine Familie uns aneinander gewöhnen und unsere ersten Camping-Erfahrungen sammeln. Voller Euphorie und strahlend fahren wir der Küste entlang und kommen nicht mehr aus dem Staunen hinaus. Unglaublich, wie schön die Umgebung da ist.

Ein altbekanntes Problem

Weiter Richtung Süden biegen wir von der Hauptstrasse ab und machen einen Abstecher zum interessant klingenden Ort „Agua Verde“. Raul von der Rancho la Bellota hat uns dieses Schmuckstück empfohlen. Die Anfahrt sei nicht ganz ohne. Für die letzten Hügel braucht man Allrad und auch sandige Passagen seien anzutreffen. Dafür wird man mit einem feinen Sandstrand und türkisfarbenem Meer belohnt. Der Teer weicht schnell einer unbefestigten Holperpiste. Es ruckelt und schüttelt. Nur noch langsam kommen wir voran. Plötzlich fährt sich Manny nicht mehr ganz so rund. Ein Blick aus dem Fenster und der Übeltäter ist entdeckt – Plattfuss!

Langsam rollen wir Manny auf der kurvigen, engen Piste zu einer etwas ebenen Stelle und machen uns ans Rad wechseln. Diesbezüglich sind wir ja ein eingespieltes Team. Ohne uns abzusprechen hat sich bei jedem Platten eine gewisse Routine eingependelt. Doch jetzt hoch schwanger ist das mit dem Heben und Anpacken etwas schwierig und Tobi krampft sich allein ab. Wie das so ist, setzt dann auch noch der Regen ein… Die Lust aufs Piste fahren bei dem Wetter ist uns vergangen. So biegen wir von dem Feldweg ab und stellen und irgendwo neben Büsche in die Wüste.

Und wieder ein Plattfuss

Wir haben schon den einen oder anderen Nagel eingefangen und an diversen Orten das Rad von der Achse genommen, daran operiert und das Loch gestopft. Keine grosse Sache! Doch dieses Mal sieht es anders aus. Die Luft ist komplett draussen. Wir ahnen schon, dass wir diese undichte Stelle nicht selbst flicken können. Bereits in Corpus Christi, Texas haben wir bei genau diesem Rad eine undichte Stelle entdeckt. Die Felge hatte einen rostigen Riss und langsam entwich die Luft aus dem Reifen. Wir haben die durchgefressene Stelle geschweisst und sind nun einige 1’000 km gefahren, doch, dass nun genau dieses Rad komplett platt ist, lässt nichts Gutes ahnen.

Wir finden keinen Nagel und auch keine Schraube im Pneu. Am Vorabend haben wir ihn nochmal komplett aufgepumpt und siehe da, tags darauf ist kaum mehr Luft darin. Gut, ab jetzt sind wir also ohne Reserverad unterwegs. Wie schlau ist es wohl jetzt in total abgelegene Gebiete zu fahren? Unser Bauchgefühl weisst uns an, auf die tollen Offroad-Erlebnisse vorerst zu verzichten. Auch auf der Hauptachse ist man oft fernab der Zivilisation, begegnet aber doch vielen Autos, falls ein weiteres Rad Beschwerden hätte. Nun ja, „Agua Verde“ wir kommen in ein paar Monaten.

Walbeobachtung in der Magdalena Bucht

Es kribbelt im Bauch. Wie ein kleines Kind freuen wir uns auf diesen besonderen Ausflug. Wir haben uns mit Lea und Simon, mit denen wir in Texas Strandferien genossen, in Puerto San Carlos verabredet. Das Fischerdorf hat nur während einer Zeit im Jahr etwas zu bieten, nämlich während der Walsaison. Zu Hunderten finden sich Grauwale in der geschützten Lagune ein, um ihre Jungen zur Welt zu bringen.

Zu viert besteigen wir das Boot und werden mit knallorangen Schwimmwesten ausgestattet. In den frühen Morgenstunden brechen wir zu den Meeresgiganten auf. Ob es wohl schon Jungtiere hat?

Unser Kapitän gibt Gas und wir düsen hinaus in die Magdalena Bucht; vorbei an einer Vogelinsel, fischenden Pelikanen, Kormoranen und schnatternden Möwen, einer Boje mit kalifornischen Seelöwen, die sich in der Morgensonne strecken und wälzen. In der Ferne spritzt Meereswasser in die Luft. Wir blicken umher und entdecken diverse Wasserfontänen. Oh, wie aufregend. Die Spannung steigt.

Die riesigen Tiere in greifbarer Nähe

Und plötzlich sind wir von Grauwalen umzingelt. Lange beobachten wir sie, wobei unser Kapitän genügend Abstand hält und weiterfährt, wenn sich die Tiere abwenden. Sie kommen nahe ans Boot, drehen sich im Wasser, winken mit den Flossen und tauchen unter dem Boot hindurch. Zwei vollführen ihren Paarungstanz. Andere senden einen böhigen Sprühnebel aus, wenn sie atmen. Dabei fängt die strahlende mexikanische Sonne einen flüchtigen Regenbogen ein und wir werden nass. Toll sind diejenigen, die langsam ihren Kopf senkrecht aus dem Wasser strecken, um sich umzusehen. Einer scheint sich für uns zu interessieren. Er kommt ganz nahe ans Boot und möchte spielen. Tobi greift ins Wasser und berührt ihn am Kopf. Seine Haut fühlt sich an wie einen Gummistiefel. Er rekelt sich unter dem Boot hindurch und wir können ihm in die Augen sehen. Faszinierend! Es ist unvergesslich.

Faszination Grauwal

Erst als sie so vor, neben und unter uns schwimmen, nehmen wir ihre Grösse so richtig wahr. Fast 15 Meter wird ein Weibchen. Ja genau ein Weibchen, diese sind bis zu einem Meter länger als die Männchen. Während dem Beobachten erkennen wir, dass die pockenüberzogenen Giganten keine Finnen entlang des Rückens haben, sondern mehrere buckelartige Wölbungen, so wie kleine, flache Höcker. Augenfällig ist auch ihre Haut. Wie ihr Name schon sagt, sind diese Wale grau – genauer gesagt schiefergrau bis dunkelgrau. Doch auf ihrer Haut hat es viele weisse Flecken und diese lassen den Grauwal so verkrustet aussehen. Das sind parasitische Krebstiere, z.B. Walläuse und Seepocken, die ihre Haut massenhaft besiedeln.

Lea ist unsere persönliche Tierexpertin und hat auf all unsere Fragen eine Antwort. So erfahren wir auch, dass das zahnlose Tier robuste Barten besitzt, mit denen es seine Nahrung aus dem Meer filtert. Grauwale fressen besonders in flachen Gewässern, also in der Nähe von Küsten. Da schwimmen sie langsam am Meeresboden entlang und filtern Krebse, Asseln, Würmer und Schnecken aus dem Schlick.

Die Isla Santa Margarita und die Isla Magdalena schützen die Bucht von Magdalena vor dem kräftigen und harten Wind im Pazifik. Also ein perfekter Spielplatz und ein ideales Geburtsnest für die Giganten. Sie reisen in kleinen Gruppen im Herbst von Alaska aus in den Süden, ähnlich wie wir. Nach zwei bis drei Monaten kommen sie in Mexiko an, verbringen dort den Winter, gebären ihre Jungen, paaren sich und danach wandern sie die weite Strecke wieder zurück, um den alaskischen Sommer zu geniessen. Habt ihr gewusst, dass demzufolge die ostpazifische Grauwalpopulation meistens Mexikaner sind? Für die Jungtiere sind wir vielleicht einen, zwei, drei Tage zu früh gewesen – wir wissen es nicht.

Gemütliche Tage in der Wüste

Die Erlebnisse mit den Walen müssen wir erst mal sacken lassen. Dazu fahren wir weg von der Zivilisation in die Wüste. Ruhe umgibt uns, herrlich! Aber auch geniessen wir unsere letzten Tage zu zweit im Manny; ausgiebige Frühstücksbrunchs in der Morgensonne, spielen, lesen, spazieren, diskutieren, lecker kochen und den Sonnenuntergang geniessen. Als wir aufbrechen, sind wir ready, Manny für gut drei Monate mit einer kleinen Stadtwohnung zu tauschen. Ja, nach fast eineinhalb Jahren leben in unserem rollenden Zuhause, freuen wir uns tatsächlich auf etwas mehr Platz für die nächsten Wochen, um da auf die Geburt unseres Mädchens zu warten.

Eintauchen ins Stadtleben

Wir haben uns für die ersten Nächte ein AirBnB im Stadtzentrum von La Paz reserviert. Von da aus machen wir uns auf die Suche einer Bleibe und geniessen den Luxus in der kleinen Wohnung: 6 Kochplatten, einen riesigen Backofen, eine eigene Toilette und eine Waschmaschine. Das sind die Dinge, welche wir gerade total feiern. Schlussendlich handeln wir mit unserem Host einen fairen Preis aus und bleiben für die nächsten Monate in dieser Wohnung. Jetzt haben wir Zeit uns einzunisten, Manny gründlich aufzuräumen und zu putzen, aber auch diverse Sachen zu reparieren und umzubauen. Schliesslich wollen wir in ein paar Monaten zu dritt weiterreisen.

Mit viel Vergnügen tauchen wir ins Stadtleben ein und geniessen die Vorzüge. Schlemmen mal in einem Restaurant Tacos oder Fisch und Krevetten, schlendern durch den Mercado und geniessen da und dort in den Roof-top-bars einen Drink mit Blick aufs funkelnde Meer. Langsam wird es auch Zeit die nötigen Vorkehrungen für die Geburt zu treffen, also Gynäkologe, Hebamme und Klinik suchen. Und wie wäre es mit Spanisch lernen? Wir schreiben uns an der Uni für einen Anfängerkurs ein und drücken in den frühen Morgenstunden die Schulbank.

Fiesta de los Dioses

Seit der Antike finden Karnevalsfeste vor Ostern in Ländern mit christlicher Tradition statt. In La Paz organisierten gegen Ende des 19. Jahrhunderts wohlhabende Familien in ihren schönen Villen Karnevalparties. Jeweils eine Tochter wurde in elegante, glamouröse Kleider gesteckt und als Königin verehrt. Wenige Jahre später wurde beschlossen, die Party zum Vergnügen aller auf den Strassen der Stadt zu veranstalten. Gerade in jüngster Zeit hat das farbenfrohe, traditionelle Fest wieder Aufschwung erlangt und zieht zahlreiche Familien und Besucher an.

Nichts mit Kälte, Holdrio und schränzenden Guggenmusiken – nein, diese Fasnacht ist eher ein Mix zwischen Chilbi, Altstadtfest und Fasnachtsumzug. Dies direkt am Meer unter Palmen und in der warmen Sonne. Das diesjährige Motto lautet „Das Fest der Götter“. Der Umzug geht entlang des Strandes. Angeführt von Motorrädern und Oldtimer, folgen Tanzgruppen und riesige geschmückte Anhänger, die von einem Truck oder gar Lkw gezogen werden. Fruchtdrinks, Tacos, Fleischspiessli, Konfetti in Eiern, Latino-Musik, Live-Konzerte auf kleinen Bühnen und viele tanzende Mexikaner, all dies sind unsere Erinnerungen an den Karneval in La Paz.

Ein Besuch aus der Schweiz kann kommen…

Die wahre Magie von La Paz liegt in den nördlichen gelegenen Stränden. Jeder anders und bezaubernder als der vorherige. Kristallklares Wasser, Delfine und Schildkröten in der Bucht, was will man da noch mehr? Wir werden von Lisa und Mati besucht und liegen mit ihnen viel an den tollen Stränden. Spielen, diskutieren, geniessen leckeres Essen, ein paar Biere und lange Abende voller Geschichten. Manchmal Schweigen wir zusammen, aber so wohlig, wie man es nur unter guten Freunden kann. Ein Gesprächsthema wird jedoch von Tag zu Tag häufiger – COVID-19.

Die Ferien von Lisa und Mati neigen sich dem Ende zu. Die Frage ist jetzt: schaffen sie es noch rechtzeitig aus Mexiko raus? Können sie bis in die Schweiz fliegen? Just vor dem Lockdown erreichen sie ihr Zuhause. Kein Besuch mehr da und in absehbarer Zeit wird wohl auch niemand mehr kommen können.

… ein anderer leider nicht

Tobis Eltern und Bruder hatten sich schon vor Monaten für Mitte April angekündigt. Das fällt jetzt wohl leider ins Wasser. Auch wir verfolgen natürlich in den ersten Tagen regelmässig die aktuellen News. Lange war die Ausbreitung des Virus für uns nicht sonderlich relevant. Doch dies hat sich jetzt geändert. Kein Spanischkurs mehr, die Uni ist geschlossen. Grenzen in Zentral- und Nordamerika machen dicht. Nur Mexiko hinkt hinterher. Neben den geschlossenen Schulen passiert wenig. Wir beschliessen Zuhause zu bleiben, auf soziale Distanz zu gehen, kein Strandbesuch, kein Nachtessen auswärts…

Welche Überraschung! Wenn die Familie nicht Reisen kann, dann wird ein riesiges Päckli losgeschickt. Der Postbote bringt das Päckli bis vor die Haustür, überzieht ihm eine grosszügige Desinfektionstinktur, bevor wir Weihnachten, Geburtstag und alle anderen schönen Bescherungstage auf einmal erleben dürfen. Überwältigt packen wir einen ganzen Nachmittag aus. Tausend Dank ihr lieben zukünftigen Grosseltern und Tanten!

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