Eine «kleine» Runde durch Alaska – The Last Frontier

Alaska!

Freudenschreie bei der Grenzüberquerung: Wir sind angekommen im 49. Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika. Abgesehen davon, dass die Strasse nun mit Meilen beschildert sind und wir den Diesel in Gallonen kaufen, ändert sich eigentlich vorerst nichts. Die Aussicht vom Top-of-the-World Highway ist wunderschön. Natur soweit das Auge reicht. Gross, riesig und in jedem Detail gewaltig, so erleben wir Alaska, die grösste Exklave der Erde.

Das Strassennetz ist übersichtlich und in dem flächenmässig grössten Bundesstaat der USA erscheint es geradezu winzig. Vielleicht haben sich deshalb die Alaskaner die Mühe gemacht, die Highways nicht zu nummerieren, sondern ihnen einprägsame Namen zu verpassen. Also geht es zuerst auf dem Taylor Highway Richtung Chicken, das erste Kaff nach der Grenze welches touristisch stark vermarktet wird. Das Dorf ist klein. Sehr klein. Versorgungstechnisch geht hier gar nichts, einen T-Shirt- und Souvenirladen, ein RV Park und zwei Tanksäulen. Ja, aber was willst du da noch mehr, schliesslich wohnen gerade mal 7 Leute in der ehemaligen Goldschürfersiedlung.

Die Berge kommen näher…

…und mit ihnen auch die Gletscher. Wir sind unterwegs Richtung Süden nach Valdez. Die Umgebung liegt in eigenartigem Dunst. Ob das wohl an den vielen Waldbränden in der Nähe liegt? Das reiche Bergpanorama und die Ausblicke auf die zahlreichen Wasserfälle bleiben uns verwehrt. Auf einmal blitzt weiss und blau aus dem Grau des Berges heraus und wir sehen in der Ferne den Worthington Gletscher. Heute muss man schon einige Meter hochlaufen bis zur Gletscherzunge und dem kühlen Eis.

In Valdez erreichen wir den Pazifik. Berge zieren die Küste. Hier endet die Ölpipeline, die vom Nordpolarmeer durch ganz Alaska führt. Diese transportiert das im Arktischen Ozean geförderte Erdöl zum stets eisfreien Hafen in Valdez, wo das Öl auf riesige Tanker verladen wird. 1989 kam es dann, wie es kommen musste: ein Tanker lief auf Grund und verlor unvorstellbare Mengen an Öl. 2’000 km Küstenlinie wurden verschmutzt, unzählige Tiere und Pflanzen verendeten!

Gräbt man in der Geschichte weiter zurück, war dies nicht die erste Katastrophe in Valdez. Beim Erdbeben am Karfreitag 1964 wurde die Stadt schwer erschüttert. Unter Wasser kam es zu einem massiven Erdrutsch, wobei ein Teil der Küste abbrach und im Meer versank. Dadurch wurde ein lokaler Tsunami ausgelöst und richtete westlich der Stadt ein grosses Unglück an. Drei Jahre danach wurde der Ort Valdez aufgegeben, abgebaut, niedergebrannt und in 6 Kilometer Entfernung auf stabilerem Gelände wieder aufgebaut.

Heute hat sich das fragile arktische Ökosystem gut von den Katastrophen erholt und damit auch der Tourismus und der Fischfang. Am Hafen starten zahlreiche Bootstouren zum Prince William Sound um Gletscher, Eisberge und die Tierwelt zu bestaunen. Seeotter, Wale, Puffins und viele weitere Vögel sind aber bereits Richtung Süden gezogen und so ersparen wir uns die Tour zum Columbia Gletscher, welcher ins Meer kalbt. Faszinierend ist es bestimmt, aber wir haben ja in Neufundland schon viel Eis im Meer gesehen.

Die Rückkehr nach einer langen Reise

Am Ostufer des Fjords von Valdez, bei der Solomon Gulch Fish Hatchery, einer Fischzucht, tummeln tausende von Lachsen, die aus dem Meer hierher zurückgekehrt sind. Sie sind auf dem Weg zu ihrem Geburtsort, um dort zu laichen. Es brodelt und blubbert regelrecht nur so von Fisch. Sie kämpfen sich an der Küste entlang um ein Schlupfloch zur Fischtreppe zu finden. Ständig auf der Flucht vor Seelöwen, Bären, Weisskopfseeadlern und anderen Jägern, die nach Lust und Laune ihr Futter herauspicken.

Auch am Cooper River kehren pro Jahr rund 2 Millionen Lachse zurück. Aber wie fischt man in einem Fluss voller Gletscherschlamm? Den Natives, die vom Lachsfang leben, wird unter strengen Regeln erlaubt, das Fischrad zu benutzen. Dieses Gerät sieht aus wie eine Wassermühle. Zusätzlich zu den Paddeln ist ein Fischrad mit Drahtkörben ausgestattet, mit denen Fische aus dem Wasser gefangen und in einen damit verbundenen Vorratsbehälter befördert werden. Die Flussströmung hält die Körbe in Bewegung und Lachse schwimmen in den Korb.

Eingebettet im Wrangell-St. Elias Nationalpark

Zwei Goldsucher entdeckten im Jahre 1900 einen grünen Fleck am Hang. Es sah aus, als ob sie da ihre Pferde weiden lassen könnten. Aber, es schien ihnen einen unwahrscheinlichen Ort für eine grasgrüne Wiese zu sein. Tatsächlich stellte sich heraus, dass das Grün Malachit war. Dies ist ein Mineral und chemisch gesehen ein basisches Kupfercarbonat. Die beiden Herren hatten damit eines der reichsten bekannten Kupfervorkommen der Welt entdeckt. Minen wurden errichtet und bis 1938 wurde in den Kupferbergwerken gearbeitet.

Heute ist Kennicott eine Geisterstadt. Mitarbeiter des Nationalparks sanieren und stabilisieren die ursprünglichen Gebäude und Holzkonstruktion, was dem kleinen Ort am Hang viel Charme vermittelt. Das Dorf ist autofrei. Viele Touristen werden mit Shuttle-Bussen in das historische Dorf chauffiert. Doch wir verbinden diesen Besuch lieber mit einer Wanderung und geniessen es dabei über den Root Gletscher zu gehen. Soweit das Auge reicht sind wir von Eis umgeben und das ist noch Nichts. Könnten wir mit dem Flugzeug über die Gletscher fliegen, wäre es bestimmt ein grossartiger Anblick!

Schau mal, dieser russische Baustil

Langsam trotten wir durch die inzwischen schon leicht herbstlich angehauchte Landschaft. Ab und zu entdecken wir russische Überbleibsel. Die wichtigsten und sichtbarsten Zeugnisse der russischen Ära sind die vielen russisch-orthodoxen Gemeinden und Kirchen. Pelzjäger gründeten 1783 erste Siedlungen und das russische Handelsmonopol über Alaska entstand. Für das aufstrebende Russland war Alaska die einzige Überseekolonie, kaum rentabel und schwer zu verwalten.

Der Pelzboom währte nicht lang. Die begehrten Seeotter wurden erbarmungslos gejagt und fast ausgerottet. Die Fahrt in die ferne Kolonie war von der damaligen Hauptstadt Sankt Petersburg aus buchstäblich eine halbe Weltreise. Da die Passage durch das Eismeer zu gefährlich war, dauerte die Reise mehr als ein halbes Jahr, egal ob um das Kap Hoorn oder das Kap der Guten Hoffnung gesegelt wurde. Dies waren keine guten Voraussetzungen für den Erhalt der Kolonie.

Vor 152 Jahren hatte dann das Zarenreich Alaska zu einem Schnäppchenpreis an Amerika verkauft. So recht interessierte sich danach noch immer niemand für das Gebiet. Erst als 1959 grosse Ölfelder westlich von Anchorage entdeckt wurden, wurde Alaska der 49. Bundesstaat der Vereinigten Staaten. Die äusserst dünn besiedelte Gegend ist reich an Gold, und auch das „schwarze Gold“ ist reichlich vorhanden. Heute gilt die nach dem Kauf als „Gefriertruhe“ oder „Eisbärengehege“ verspottet Gegend als letzte Wildnis und letzte Grenze.

Abstecher Kenai Peninsula

Via Anchorage fahren wir direkt an der Küste entlang zur Kenai Halbinsel. Zwischen uns und dem Meer verläuft die Bahnlinie der Alaska Railway und wenn man Glück hat entdeckt man einen Beluga Wal im Wasser. Aber eben, selbst die Spätzünder sind ja schon in den Süden gezogen. Vielleicht hätten wir auch auf diesen Zug aufspringen sollen, denn das Wetter schlägt mal wieder um. Nebel, Regen, Wind und kalte Temperaturen klatschen uns hier entgegen. Schlimm ist es nicht. Vielleicht brauchen wir auch gerade mal ein paar Tage, um all unsere Eindrücke zu verarbeiten und unsere inneren Batterien aufzuladen. Wir verbringen die Zeit mit kleinen Spaziergängen zu Gletschern und ans Meer oder hören Hörbücher und lesen. Der entspannte, gemütliche Alltag lädt unsere Batterien auf, doch bei Mannys Wohnraumbatterie funktioniert das nicht gleich gut. Irgendwann gibt sie den Geist auf und stirbt langsam. Bestimmt ein Anzeichen von Altersbeschwerden, welches wir in Anchorage einfach beheben können.

Into the wild

Jetzt führt uns der Weg gegen Norden auf dem stark frequentierten Parks Highway. Diverse Panoramaspots könnten DEN Berg aus der Ferne zeigen. Die Rede ist vom Denali, mit seinen 6’194 Metern der höchste Berg Nordamerikas. Nur alle paar Tage hat man im Durchschnitt das Glück einen wolkenfreien Blick auf diesen Berg zu bekommen. Bei der Anfahrt zum Denali Nationalpark bleibt er uns verwehrt.

Eine wenige Kilometer lange öffentliche Strasse führt in den Nationalpark. Wir geniessen jeden Meter. Die Landschaft ist atemberaubend. Herbstlich gefärbte Wiesen, Büsche und gelbe Wälder begegnen uns. Ausgerüstet mit Bärenspray wandern wir an Flüssen entlang und geniessen die Natur. Diese Umgebung zieht uns in ihren Bann. Sehr glücklich über jeden Moment da und ohne dass wir es genau mit Worten ausdrücken können, organisieren wir uns, dass wir noch tiefer in die Wildnis vordringen können.

Früh morgens brechen wir mit dem Bus auf in den Nationalpark. Bereits nach wenigen Metern durchquert ein Elch ein trockenes Flussbett, ein Grizzlybär pflückt Beeren und die Bergziegen rennen den Hang hinauf. Der Bus biegt um eine Kurve und voller Erstaunen taucht in der Ferne der Denali auf. Was für ein Anblick! Es scheint selten zu sein, aber der ganze Tag bleibt der Berg wolkenfrei und wir können ihn aus verschiedenen Winkeln und Entfernungen bestaunen. Welch ein Glück. Immer wieder begegnen wir Bären, Karibus, herbstlichen Hügel und unglaublichen Bergpanoramen. Wir sind total auf Wolke 7.

Denali Highway

In der Nähe vom Denali Nationalpark befindet sich der Magic Bus. Jeder der den Film „Into the wild“ gesehen hat, weiss was damit gemeint ist. Chris McCandless alias Alexander Supertramp lebte und verstarb in diesem ausrangierten Bus der Verkehrsbetriebe von Fairbanks in der Wildnis. Diesen Bus haben wir nicht besucht. Den reißenden Fluss zu überqueren, in dem erst vor kurzem eine Frau bei eben diesem Versuch verstarb, wollten wir nur ungern selber riskieren. Aber gefühlt so ein bisschen auf den Spuren von Alexander Supertramp entdecken wir den Denali Highway. Die einsame Schotterstrasse ist traumhaft schön. Wir durchqueren einzigartige Landschaften, einsame Tundra mit Bergen, Gletschern, Seen und Flüssen, müssen kein Übernachtungplätzli suchen, sondern uns nur für das schönste entscheiden, was nicht unbedingt einfacher ist. Für uns zeigt sich hier Alaska von der allerbesten Seite. Ausser ein paar Jägern, die ebenfalls die Wildnis erkunden, sind wir ganz alleine unterwegs.

Bei den Bären zu Hause

Über den Alaska Highway verlassen wir mit einem weinenden und einem lachenden Auge den Bundesstaat. Die Zeit hier war so toll. Zum Glück können wir bald südlich wieder nach Alaska einreisen. Diese südlichen Gebiete sind jedoch nur über den Seeweg oder über Kanada zu erreichen. Wir wählen letzteres, denn der Yukon hat ja auch seine zauberhaften Seiten. Und wie, in einigen Nächten werden wir sogar mit Nordlichtern belohnt.

Wir haben gehört, dass die letzten Lachse im Chilkoot River bei Haines unterwegs sind und die Bären sich da vor dem Winterschlaf nochmals richtig die Bäuche vollschlagen. Da wittern wir die Chance noch ein paar dieser Gattung anzutreffen. Bereits bei der Anfahrt nach Haines werden wir mit hunderten von Weisskopfseeadlern, die am Fischen sind, belohnt. Das kann ja kaum noch besser werden.

Und wie das besser werden kann. Keine 50 Meter vor uns steht ein Grizzly im Fluss. Pfote rein, zack und schon ist der Fisch gefangen. Der Bär klettert auf einen Stein im Wasser, öffnet den Lachs bäuchlings und schlürft den Kaviar aus. Ziemlich dekadent wird das restliche vom Lachs liegengelassen, zur Freude aller Möwen und Vögel. Diese «Show» dauert bestimmt eine halbe Stunde, bis er sich langsam wieder in den Wald verabschiedet. Wir sind total überwältigt von diesem Spektakel. Zum Glück fährt unsere Fähre nach Skagway erst in vier Tagen, da bleibt uns ja noch viel Zeit mit den Bären. Jeden Morgen und Abend werden wir aufs Neue mit unterschiedlichen Bären belohnt.

Abstecher in eine andere Welt

Nach einer kurzen Fahrt mit der Fähre übers Wasser, die uns eine Strecke von ein paar hundert Kilometer über Land erspart, erreichen wir Skagway, ebenfalls noch in Alaska. Dort tümmeln sich schon die Kreuzfahrtschiffe und der entspannte Spaziergang durch das Örtchen hatte sich somit erledigt. Ein Gewusel von allerhand Touristen, die sich in irgendwelche Souvenirshops drängen, auf dem Bordwalk wie aus dem nicht stehen bleiben, überfordern uns gewaltig. Ein Minidörfchen mit zwei Kreuzfahrtschiffen auf Landgang passt irgendwie nicht in unsere Welt und wir verziehen uns mit Manny an die Küste zurück. Ein herrliches Plätzchen mit wunderbarer Aussicht und das Beste, wir sind ganz alleine.

Mit einem riesen Rucksack voller guter Erinnerung, unzähligen Fotos auf der Kamera und unvergesslichen Begegnungen verlassen wir zufrieden und erfüllt Alaska über den White Pass zurück in den Yukon. Trotz allem bedeutet unsere «kleine» Runde durch Alaska mit über 3’500 km auch viel Fahrerei. Manny hat tapfer alles mitgemacht. Doch auf der Passfahrt meldet er sich seit langem mal wieder etwas unpassend. Öl tropft am hinteren Differential. Vielleicht haben wir dich doch etwas überstrapaziert, unser liebes Zuhause?!

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Ursi und Walti
Ursi und Walti
23. November 2019 16:42

Liebe Fränzi, lieber Tobi

Super auch der neueste Reisebericht. Wir danken euch herzlich dafür.
Der spannende Bericht mit der wunderschönen Bebilderung lässt uns
teilnehmen an den Positionen wo ihr beide eure Fusspuren hinterlassen
habt.
Die Lachs-Session hat uns speziell fasziniert. Marc (Schwager von Ursi)
hat seine Fischfangkünste bereits zweimal in diesem Land angewendet,
Gegend jedoch eher nördlich/westlich in Alaska.
Mit eurem Abstecher durch Utah werden bei uns der berufliche
Einsatz (1971) in Salt Lake City mit Besuch des Salt Lake und der offenen
Kennecott Copper Mine erneut wach.
Wir sind gespannt was ihr in den Indianerreservaten der Bundesstaaten
Arizona/New Mexiko alles erleben werdet.
Hoffentlich ist Manny wieder auf dem Damm, damit ihr das weitere Programm
pannenfrei absolvieren könnt.

Liebe Grüsse
Ursi und Walti

Lea
Lea
19. November 2019 7:57

Spannend wie immer! Und wunderschön. Diese Natur, unglaublich! Weiterhin eine ganz gute Reise!❤️

Michael
Michael
19. November 2019 2:25

Liebe Fraenzi und lieber Tobias,
Wer solch inhaltlich packende Berichte verfassen kann, sollte unbedingt Schriftsteller werden.
Es ist leicht, sich die vielfaeltigen Szenarien vorzustellen und man ist hoch beieindruckt von der Schoenheit der Landschaften. Mit Hochgenuss begleite ich Euch in Gedanken auf der Fahrt durch unwegsames Gelaende ohne selbst die Strapazen und Entbehrungen durchmessen zu muessen. Wie vorteilhaft ist es doch, jung zu sein. Die Fotos will ich immer wieder anschauen.
Bleibt wohlauf,
Michael