Dem Süden entgegen – damit der Kühlschrank wieder Sinn ergibt

«Und, wann geht’s los?»

Diese Frage konnten wir bis zum Abreisetag nie beantworten. Das war für uns nicht weiter schlimm, denn wir fahren los, wenn wir bereit sind.

Bereits vor Monaten haben wir auf Ende Schuljahr 2017/18 unsere Jobs gekündigt und unseren Haushalt in Zürich per Mitte August aufgelöst. Viel Zeit haben wir in das «Loswerden» unserer Sachen investiert. Das Ziel war es, dass wir möglichst nichts einlagern müssen. Mithilfe von Online-Inseraten und dem 2-Franken-Flohmistand in Luzern haben wir viel verkauft und einen weiteren Teil Freunden und Familie verschenkt. Neben putzen, aufräumen und unzähligen administrativen Angelegenheiten haben wir die Zeit mit Menschen, die uns wichtig sind, genossen.

Die letzten Wochen vor der Abreise finden wir bei Tobis Eltern Unterschlupf. Auf dem Vorplatz wird viel an Manny geschraubt: wir installieren eine Standheizung, schalldämmen die Wände und den Boden und zimmern neue, praktische Möbel. Auch die Nähmaschine schnurrt oft.

Der Abschied rückt näher

Gemischte Gefühle herrschen in der Zeit vor dem Aufbruch und während wir im Abschiedsschmerz suhlen. Einiges geht uns da durch den Kopf.

  • Habe ich alles geregelt?
  • Sollte ich nicht nervöser sein?
  • Hoffentlich muss ich nie die Notfalltoilette benutzen.
  • Was für eine beschissene Idee, jetzt einfach loszuziehen, wo doch die Freunde in der Schweiz sind.
  • Ciao Schnitzel, ich habe dich im Frieden wirklich genossen.

Mit einem wunderschönen Tschüss-Fest mit vielen Freunden und Familie haben wir unsere Abschiedstour beendet und es kann langsam losgehen.

Der Tag ist da

Es ist später Nachmittag. Unsere sieben Sachen sind im Manny, der jetzt aus allen Nähten zu platzen scheint. Er wird ab jetzt wieder unser Zuhause sein für die kommenden Wochen und Monate. Mehr als das im Manny glauben wir nicht zu brauchen. Knapp einen Kubikmeter gefüllte Schachteln und Kisten, von denen wir uns irgendwie doch nicht ganz trennen können, dürfen wir bei Tobis Eltern einstellen.

Das ist alles, was wir noch besitzen: Ein vollgestopftes Reisefahrzeug und ein paar Kisten mit den wenigen Dingen, die wir wirklich brauchen oder wirklich nicht abgeben wollen. Der gesamte Prozess des Abgebens und Loslassens hat sich sehr erleichternd und befriedigend angefühlt! Wir freuen uns auf das, was kommt und brauchen dafür nicht mehr.

Und so rollen wir los. Mehrmals hat man uns gefragt: «Wo werdet ihr die Schweiz verlassen?». Wir haben auch auf diese Frage keine Antwort gehabt. Nun müssen wir uns selber diese Frage stellen. Aber noch nicht sofort. Erstmal soll es hinaus gehen in die Natur, wo wir uns Zeit nehmen, zu überlegen, wohin wir genau wollen. Denn das Ziel ist klar, aber über den Weg dorthin wissen wir noch nicht viel. Falls du unseren Plan nicht mitbekommen hast: hier findest du den entsprechenden Beitrag.

Tschüss Schweiz

Nach wenigen Kilometern finden wir im Entlebuch ein schönes Plätzchen mit Blick auf die Schrattenfluh. Die erste Nacht im Manny war kühl und für das Frühstück draussen brauchen wir Kappe und Schal. Vielleicht müssen wir doch schneller Richtung Süden fahren. Wir tuckern weiter nach Greyerz und erkunden die Gegend um Jaun. Die erste Nacht war nicht die kälteste und so golden der Herbst auch sein mag, verlassen wir die Schweiz in grösseren Schritten, als es uns eigentlich lieb ist.

Die Idee, ein paar Off-road-Touren in den Westalpen zu machen, lassen wir links liegen und steuern geradewegs auf die Provence zu. Wenn es bereits in den Hügeln des Luzerner Hinterlands kühl ist, wird es in den Höhen der Alpen wohl kaum wärmer sein…

Südfrankreich: durch die Provence…

Grosse Lavendelfelder und Olivenplantagen, bucklige Hügel mit malerischen Dörfern und abenteuerliche Schluchten zieren die Landschaft in Frankreich. Erst als wir das Mittelmeer an der Côte d’Azur erreichen, ist am Morgen nicht mehr der Inhalt des Kühlschranks das Wärmste im und um Manny. Hier lässt es sich ein Weilchen aushalten.

Wir besuchen einige der bekannten Touristenorte wie Fréjus und St. Tropez und geniessen das Schlendern durch deren Wochenmärkte, wo wir uns gerne mit frischem Gemüse eindecken. Es duftet nach Käse, Olivenöl, Seife und frischem Baguette.

Überrumpelt vom Sturm und dem regnerischen Wetter in den Tagen vor unserer Ankunft sind die Sandstrände von Schwemmholz, Algen und verschiedenen Seegräser bedeckt. Den Badetouristen scheint das nicht zu gefallen, daher bleiben die Strände leer. Gut für uns, wir geniessen alleine Sonnenaufgänge am Strand und Spaziergänge durch den Sand. Immer mal wieder werden wir verregnet und so richtig warm ist es hier irgendwie doch nicht. Das Meer lockt nur für ein kurzes Füssebaden und nicht mal das bei allen…

Also ziehen wir nach unserem Dörfchen-Hopping weiter Richtung Spanien, denn in Spanien ist es ja immer warm! Auf der Halbinsel Giens bei der Festung La Tour Fondue machen wir einen Halt. Der Wind pfeift uns um die Ohren, was viele Kitesurfer an die Strände entlang des Deichs zieht. In den nahe liegenden Lagunen sehen wir Flamingos und viele weitere Wasservögel. Wir quartieren uns auf einem Campingplatz ein und freuen uns besonders auf die warme Dusche. Es ist ein weiterer Regentag und die neue Heckmarkise leistet gute Dienste, um trocken zu kochen und ein- und auszusteigen. Die Halbinsel ist das westliche Ende der Côte d’Azur, von wo wir weiter in die Camargue reisen; ein Feuchtgebiet wo die Rhone, in das Mittelmeer fliessend, ein grosses Mündungsdelta bildet.

…und die Camargue

Schon in der Antike hat man Salz aus Meerwasser gewonnen. Grundsätzlich eine sehr einfache Technik. Meerwasser nehmen und warten, bis das Wasser verdunstet ist und nur noch das Salz übrigbleibt. Bei Salin-de-Giraud schauen wir über eine riesengrosse Salzgewinnungsanlage. Sie funktioniert nach dem gleichen Prinzip. Es wird von März bis September Meerwasser in grosse Verdunstungsteiche gepumpt. Durch die Sonne und den Wind verdunstet das Wasser und es bilden sich Salzkristalle, welche von Ende August bis Oktober geerntet werden. Dies geschieht mit grossen Baumaschinen, die das Salz auf Lastwagen befördern, welche es zu gigantischen Salzhaufen aufschütten. Das dort gewonnene Salz kommt nicht auf den Tisch, sondern wird als Streusalz verkauft.

Unweit davon befindet sich der Strand von Piémanson. Dieser Strand ist das äusserste Stück Land des Deltas. Über einen Damm fahren wir weiter durch die Camargue. Es ist eine bezaubernde Gegend. Flamingos, Pferde und andere Wasservögel begleiten uns auf dem Weg.

Die antiken Römer waren vor uns hier

Neben so vielen wundervollen Natureindrücken besuchen wir auch schöne Dörfer und tauchen gerne hin und wieder in die Römerzeit ein. Zum Beispiel gefällt uns Arles, eine alte Stadt, die von Gaius Julius Caesar 46 v.Chr. in das Römische Reich eingegliedert worden ist. Schnell wurde die Stadt zu einem wichtigen römischen Handelszentrum. Sie ist schön, hat ihr eigenes Flair und wird immer noch von alten Gassen geschmückt. Das grosse Amphitheater, welches zur Zeit der Römer rund 25’000 Zuschauern Platz geboten hat, ist im Mittelalter zu einer Festung mit Vierecktürmen ausgebaut worden. Vieles davon kann man noch heute sehen.

Nur rund 40 Kilometer von diesem Römerbauwerk entfernt liegt die nicht minder eindrückliche Pont du Gard. Dabei handelt es sich um den schönsten Teil des Aquädukts, mit dem die Stadt Nîmes mit Quellwasser versorgt worden ist. Die Wasserleitung wird an diesem Ort mit Hilfe einer knapp 50 Meter hohen Brücke über den Fluss Gard geführt. Als Aquädukt wird eigentlich die gesamte Wasserleitung bezeichnet, die das Wasser unterirdisch durch Tunnels, überirdisch durch Gräben oder über Brücken leitet. Oft versteht man aber letztgenannte unter dem Begriff Aquädukt. Die Pont du Gard ist insgesamt 275 Meter lang und hat zur Spitzenzeit täglich 20’000 Kubikmeter Wasser in die Stadt befördert.

Es ist schon erstaunlich, wie vor rund 2000 Jahren solche Bauwerke gebaut werden konnten!

Und was nun?

Wir sind zwar in Südfrankreich angelangt, können aber nur selten gemütlich an unserem Tisch im Freien frühstücken. Meist schlürfen wir unseren Kaffee im Manny, irgendwie ist es im Oktober hier morgens doch noch nicht so angenehm warm. Nichts desto trotz haben wir uns in den Kopf gesetzt die Pyrenäen von Südosten nach Nordwesten zu durchreisen. Dahin sollten wir uns wohl langsam auf den Weg machen, denn wer weiss, wann der erste Schnee im Gebirge liegen wird?!

 

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4 Comments
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Laura und Caroline Roncato
Laura und Caroline Roncato
25. Januar 2019 13:22

Ganz lieben Dank für die Postkarte! Laura hat sich mega gefreut!
Die Bilder sind wunderschön und wecken unsere Sehnsucht!

Matías
Matías
2. Dezember 2018 14:02

Wunderschön Eure Bilder und erfüllend Eure Berichte – hoffentlich bis bald, freue mich auf mehr! Gute Fahrt y buen viaje! Saludos deste Afi