Am Südfuss des Atlas
Die Uhr tickt. Für uns viel zu schnell.
Die Gegend südlich des Atlas gefällt uns so gut, dass wir am liebsten noch lange hier verweilen würden. Und genau das tun wir. Kosten jeden Moment in vollen Zügen aus.
Ganz langsam tuckern wir durch das Rosental. Natürlich blühen jetzt noch keine Rosen, doch überall wird Rosenwasser angeboten. Neben den Destillerien stehen zahlreiche Shops, in denen Rosenseife, Crème, Parfüm und Rosenwasser für die Lebensmittelindustrie verkauft werden. Der Duft ist weniger unser Geschmack, aber das Tal ist ein Augenschmaus. So verweilen wir, bis es uns unter den Fingernägeln juckt und wir zu den bekannten Schluchten weiterziehen.
Durch die Todra-Schlucht
Die Asphaltstrasse windet sich am engen Talgrund entlang des Flüsschens. Links und rechts ragen senkrechte Felswände auf, ein Paradies für Kletterer. Diese riesigen Felswände sind beeindruckend.
Nur wenig weiter öffnen sich die engen Felsen und das Tal wird breiter. Wir staunen nicht schlecht, das Flussbett ist trocken. Woher kommt denn das Wasser in der Todra-Schlucht? Das steinige Flussbett bleibt trocken, während dem wir daran entlang Höhenmeter um Höhenmeter aufwärts klettern.
Offroad zur Dadès-Schlucht
Wir haben eine Abkürzung geplant, die uns von der Todra- direkt in die Dadès-Schlucht führt. Abkürzungen sind ja bekanntermassen nicht schneller, dafür spektakulärer.
Die Offroadstrecke führt uns vorbei an Nomadenzelten durch eine schroffe, felsige Landschaft.
Nur langsam kommen wir voran, denn grösstenteils fahren wir in das trockene Flussbett rein, über kleinere und grössere Steine, aus dem Flussbett raus, nur um wenige Meter später wieder in das Flussbett rein zu fahren. Volle Konzentration ist gefordert!
Wir kommen dem Pass immer näher. Die Piste führt schmal und steil im abschüssigen Hang entlang. Nicht jede Kurve schafft Manny im ersten Anlauf. Wir sägen um die engen Ecken bis wir die Passhöhe erreichen. Der Wind fegt uns fast von der Kante, aber der Ausblick über das Bergpanorama ist fantastisch.
Nach einem schwierigen Abstieg geht es eingekeilt zwischen zwei massiven Felswänden zurück auf die Asphaltstrasse. Ein Abenteuer bei dem uns auf der gesamten Strecke kein einziges Fahrzeug begegnet ist.
Durch die Dadès-Schlucht
Das strahlende Blau des Himmels ist heute verschwunden. Die sonst so kräftigen Kontraste der saftig-grünen Felder und leuchtend-rotbraunen Felsen bleiben versteckt. Die Landschaft ist in helle, graue Watte gepackt. Unser Vorteil, wir haben die spektakuläre Serpentinenstrasse, die die Franzosen in den 40er Jahren gebaut haben, ganz für uns. Wir schlängeln uns langsam durch die Schlucht das Tal hinab und weil es uns gefällt, gerade wieder hinauf.
Amazigh = „freier Mensch“
Wir kommen an den Berghängen des Atlas an zahlreichen Lehmdörfern vorbei. An vielen Hausfassaden erblicken wir die aufgemalte Berberflagge oder den Yaz, das Symbol für „freien Mann“.
Das Atlasgebirge ist die Heimat vieler Berber, die sich selbst Amazigh nennen und als indigene Bevölkerungsgruppe von Nordafrika gelten. Ihre Flagge symbolisiert, dass das gesamte Volk der Amazigh in Harmonie mit ihrem Land lebt. Sie halten an der Allbeseeltheit der Natur und ihren Kräften fest, auch nach dem Übertritt zum Islam. Mythen, Märchen, Verehrungen und Geisterglaube ihrer alten Religion sind für sie weiterhin wichtig.
Viele Menschen haben sich eingesetzt, dass Tamazight, die Sprache der Amazigh, 2011 zur zweiten offiziellen Landessprache Marokkos erklärt wurde.
Den Hohen Atlas überqueren
Es ist Zeit von Süden nach Norden zu gelangen und dabei den Hohen Atlas zu überqueren.
Eine erste Etappe geht über den knapp 3’000 müM hohen Tizi-n’Ouano. Die gute Piste führt über den Pass und die Klimascheide. Wir verlassen nun definitiv den trockenen, saharischen Süden und kommen zurück in den mediterranen Norden.
Routenempfehlung durch die Berge
Die Übernachtungen in den Bergen sind noch eisig kalt. Mehrmals sind die kleinen Bächlein am Morgen zentimeterdick gefroren. Oft sind wir froh um unsere Daunenjacken, so zum Beispiel bei Spaziergängen um die Bergseen bei Imilchil.
Ein lokaler Tourguide empfiehlt uns eine Route, die wir gerne fahren möchten. Er zeigt uns verschiedene Möglichkeiten zum Ziel auf, denn er kennt die Gegend hier wie seine Westentasche und kann die Schwierigkeiten bestimmter Routen sicher einschätzen.
Wir entscheiden uns für die einfachste, asphaltierte Variante über Bergstrassen und Pässe bis zur „Cathedrale des Roches“. Wunderschön, kurvenreich und manchmal extrem steil geht es durch kleine Dörfer, hinauf und hinab, vorbei an Schneebergen und auf frisch geteerter Passstrasse runter vom Berg mit einem Gefälle von gefühlten 50% bis in ein kleines Dörfchen.
Die winzige Siedlung liegt in einem Talkessel, rundherum gigantisch hohe Berge. Ja, wo ist denn hier die Strasse geblieben? Sie endet am Dorfeingang bei der Brücke über den Fluss.
Schweisshände und Herzklopfen
Eine schmale Piste führt über den Marktplatz durch das Dorf. Manny hat knapp Platz an den Marktständen vorbeizufahren ohne die Holztische mitzureissen. Da sind wir wohl in einem schönen Nest gelandet…
Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Richtung der Piste stimmt. Es ist nicht wie angenommen eine Strasse, aber der Pfad führt immer schön am Fluss entlang. Ein ungewisses Gefühl in der Magengegend, aber wir sagen uns wiederholend, dass es schon klappen wird. Es ist verdammt schmal, eng und zu allem geht es auf der Fahrerseite steil zum Fluss hinab. In der Untersetzung fahren wir ganz langsam an diesem entlang, sägen um die engen Kurven, arbeiten uns zentimetergenau an Felsvorsprüngen vorbei und hoffen ganz oft;
… dass uns niemand entgegen kommt, denn kreuzen geht hier nicht!
… dass wir unter all den Felsüberhängen hindurchpassen, denn wir sind doch fast 2.65 m hoch!
… dass Tobi nicht Pinkeln muss, denn wenn er zur Fahrertüre aussteigt, stürzt er in den Fluss!
… dass ja kein Hindernis im Weg steht, damit wir nicht umkehren müssen, denn erstens können wir nicht wenden und zweitens müssten wir den selben schwierigen Weg wieder zurückfahren!
Es ist mucksmäuschenstill im Manny. Das Herz rast, die Hände sind nass. Die Gegend zwischen den hohen Felsen und in dem engen Tal geniessen, gelingt uns nicht richtig. Obwohl: die Landschaft hätte es hier total verdient.
Es klappt und wir kommen müde bei der „Cathedrale des Roches“ an – zum Glück.
Komische Geräusche beim Fahren
Nach den Strapazen der letzten Piste und der unzähligen Kurven bei den vielen Passfahrten, wollen wir langsam runter vom Berg. Aber es kommt noch einer und noch einer… Manny röhrt beim Hinunterfahren immer lauter und lauter. Das klingt gar nicht gut. Was hat denn der gute Alte?
Nach einer Ewigkeit wird die Landschaft endlich flach und die Strasse beginnt, die immer nur geradeaus zu gehen scheint. In Beni-Mellal suchen wir uns eine Hinterhofwerkstatt, denn mit Markenwerkstätten haben wir nur selten gute Erfahrungen gemacht. Der Mechaniker nimmt Manny unter die Lupe und findet eine kaputte Dichtung und eine sehr lockere Schraube. Beides kann er hier und jetzt, auf dem Parkplatz, reparieren. Zum Glück, denn die lockere Schraube hätte ins Auge gehen können!
Entspannen in Asilah
Die Zeit in Marokko ist gezählt. Zügig fahren wir ans Meer. Manny soll uns auf den letzten Metern Afrikas nicht noch irgendwelche Dummheiten machen. Also verweilen wir die letzten Tage in Asilah, eine gute Autostunde vom Hafen entfernt.
Wir schlendern durch die schmuckhafte Medina. Hier ist Kunst angesagt: bemalte Mauern, Galerien und Geschäfte mit Kunstobjekten stehen neben dem Sandalenstand und den üblichen Souvenirläden.
Sehr bewusst spazieren wir durch den Souk. Kaufen mit Freude Gemüse ein und verhandeln mit den Dattelverkäufern. In der Markthalle saugen wir das letzte Mal die Gerüche auf, beobachten die lebendige Fleischabteilung und geniessen unsere letzten Msemen (blättrige Teigfladen).
(auf Wiedersehen) إلى اللقاء
Hübsch steht der letzte Sonnenuntergang über dem Wasser. Es ist Zeit für den Abschied. Das heisst, Bilder, ja die spannende Welt hier, noch einmal bewusst einprägen, sich durch den Kopf gehen lassen und abspeichern. Es ist hier das Normalste Ziegen, Schafe und Esel auf den Dächern der Autos zu transportieren oder die Wäsche in einem Fluss zu waschen, mit Holzlatten auszuklopfen und die farbenfrohen Kleider weit verstreut über den Sträuchern trocknen zu lassen.
Nie hätten wir uns erahnen können, dass die Farben braun, beige und grau so vielfältig und fein abgestuft sein können. Überall, ob in den bräunlichen Bergen, im beigen Sand oder der gräulichen Steinwüste sind Hirten unterwegs. Sie verbringen den Tag mit Umherziehen und Viehhüten. Ein gewöhnliches Transportmittel ist der Esel, zum Beispiel für den langen Marsch ins Dorf, um auf dem Markt einzukaufen. Handwerks- und Machanikerbuden sind (fast) auf der Strasse und beim Bäcker bringen die Frauen den Teig vorbei, um ihr eigenes Brot backen zu lassen. Die Sandstrassen enden in der Einsamkeit. Da ist, soweit das Auge reicht, die Gegend naturbelassen und unzersiedelt.
Wir könnten hier noch viel erzählen, aber am besten schaut ihr euch Marokko selber an. Für uns ist klar, auf Wiedersehen Marokko, inschallah!
Und jetzt?
Manny hat sich ausgetobt. Abseits von der geteerten Strasse, auf unbefestigtem Grund sind wir nun lange unterwegs gewesen. Jetzt geht es mit der Fähre zurück nach Südfrankreich und von da im Eiltempo nach Belgien.
Dort wartet ein neues Abenteuer auf uns…
Einmalig schoen. Habe den Bericht Eurer Reise sehr genossen. Waere gerne dabei gewesen.
Lieber Michael
Vielen Dank für deinen Kommentar. Der Teil unserer Reise in Europa und Marokko war wirklich wunderschön! Hier in Kanada geht es aber genauso schön weiter…
Bis bald,
Tobi und Fränzi