Kurze, breite, lange, hohe, riesige Sandstaubwolken – über viele Pisten Richtung Dünen

Wo gibt es ein Fleckchen ohne Sand?

Nicht zwischen den Zehen, nicht in den Haaren, auch nicht in den Türscharnieren, auf dem Armaturenbrett, dem Sitzpolster, im Schränkchen, den Schuhen, im Necessaire… Tobi wischt den Sand aus dem Gang und staubt alles Mögliche ab. Aber nach jeder Pistenfahrt beginnt er von vorne. Und Pisten gibt es hier viele!

Mal sind sie holprig, eng, steinig, ausgefahren, staubig, voller Fechfech (Feinsand), trocken, schauklig wie auf einem Wüstenschiff, steil, voller Kiesel oder Wellblech, gefurcht, dornig, verläuft breit über eine Schwemmtonebene, von Palmen umgeben und sandig. Asphalt kommt nur selten unter die Räder.

Nervenkitzel in der Jaffar-Schlucht

Den letzten Adrenalinkick beim Offroad fahren hatten wir in den Pyrenäen und liegt schon eine Weile zurück. Es wird Zeit für ein neues Abenteuer.

Der Cirque de Jaffar ist ein Talkessel, welchen man durch eine grandiose Schlucht erreichen kann. Laut Offroad-Reiseführer ist die Strecke für Fahrzeuge über 2.38m Breite nicht zu empfehlen. Ja, für Manny passt das tiptop und wir sind startklar.

Ein schmaler Weg führt steil bergab in das steinige, trockene Oued. Schnell wird uns bewusst, weshalb die Fahrzeugbreite zentimetergenau niedergeschrieben wurde, denn links und rechts ragen hohe Felswände auf. Schmale Kurven schlängeln sich um einige Felsplatten und ganz präzises Fahrgeschick ist nötig. Konzentration, Nervenkitzel und Geduld sind unsere Begleiter.

Teamarbeit ist gefragt

Das Gelände wird immer holpriger. Die Steine verwandeln sich in grosse Felsbrocken. Jetzt ist Teamarbeit gefordert. Fränzi fuchtelt in Zeichensprache um sich, damit Tobi Manny um die Engstellen und Hindernisse manövrieren kann. Obwohl das Thermometer noch deutlich unter 20 Grad anzeigt, perlen erste Schweisstropfen auf die Stirn.

Die Schlucht wird breiter und die Felsbrocken immer dicker. Viele Male stehen wir gemeinsam vor dem Hindernis und versuchen in Ruhe zu besprechen wie wir ohne Schaden weiterkommen.

Millimeterarbeit, aber irgendwann ist für uns Schluss. Die Felsen versperren den Weg und sind für Manny einfach zu gross. Ja, vielleicht hätten wir mit einigen Arbeitsstunden und viel Anstrengung eine Steinbrücke bauen können, aber wie sieht es dann zwei Kurven weiter aus? Wir werfen einen Blick nach vorne und sehen weitere Herausforderungen. Die Schlucht ist bezaubernd, aber unser Zuhause hier weiter zu strapazieren, möchten wir nicht.

Eng, über Stein und Geröll um Felsen und Kanten geht es langsam wieder zurück aus der Jaffar-Schlucht. Ein herrlich unvergessliches Erlebnis, obwohl wir hier an unsere Grenzen gestossen sind.

Am Rand der Sahara

Wir ziehen durch eine Region, die sich von dem was wir kennen komplett unterscheidet. Wir tauchen ein, geniessen die Stille und den atemberaubenden Sternenhimmel. Die Faszination und die Begeisterung für die Wüste sind gross. Wir saugen die Eindrücke auf, staunen und können uns kaum satt sehen.

Fränzi übertreibt es mit der Menge an Fotos. Bestimmt wurden 1’000 Kamö (Dromedare), wie unsere österreichischen Reisefreunde sagen würden, und unzählige Stimmungen der näheren Umgebung abgelichtet. Mit dem Begriff Wüste assoziiern wir vor unserem inneren Auge eine gelblich-goldige Sandlandschaft, gezeichnet mit rundlich geschwungenen Schatten, je nachdem wie die Sonne steht.

Dieses romantische Wüsten-Bild entspricht nur zu einem kleinen Teil der Landschaft, die jetzt vor unserer Türe steht. Braun bis grau, staubig und voller Steine ist die Gegend. Nur um die Flussläufe, wo zeitweise vielleicht Wasser rinnt, ist es grün.

Tatsächlich sind nur etwa 20 Prozent der Fläche der Sahara Sandwüsten, sogenannte Ergs. Der Rest setzt sich aus Hammadas (Stein-/Felswüsten) und Seriren (Kieswüsten) zusammen.

Verweilen in Boudnib

Die Gegend um das Oued Guir soll unterirdisch reich an Wasser sein. Deshalb sind in den kargen Wüstenebene bis nach Boudnib zahlreiche Dattelplantagen angelegt worden. Ein Projekt des Königs, der sich wünscht, dass Marokko für den Eigenkonsum keine Datteln mehr importieren muss.

Das kleine Städtchen Boudnib ist untouristisch und wir bleiben einige Tage hier hängen. Nicht auf Grund aussergewöhnlicher Sehenswürdigkeiten, sondern einfach, weil wir uns hier total wohl fühlen.

Sonntagssouk in Boudnib

Bis anhin sind uns nur wenige Menschen auf der Strasse oder in den Cafés von Boudnib begegnet. Doch am Sonntag ist ein Gewusel auf dem Marktplatz, es findet der wöchentliche Markt statt, der Souk genannt wird.

Vielfalt, Farben, Hinz und Kunz trifft man hier. Die Textilhändler, Schuhmacher, Gewürz- und Kleinwarenhändler bleiben sehr zurückhaltend. Ein gegenseitiges Zulächeln hilft und wir können in aller Ruhe durch die Stände schlendern und wie die Einheimischen in den Waren wühlen. Alle Gebrauchsgüter sind hier zu finden und auch der Viehmarkt fehlt nicht.

Tief im Marktinnern kaufen wir Obst, Gemüse und Popcorn. Der Popcorn-Verkaufsstand begegnet uns total unerwartet und hat uns zum Einkaufen angelockt. Der grösste Teil der Ware kommt ohne Verpackung aus. Plastiktüten gibt es hier nicht mehr, stattdessen erhält man einen dünnen Stoffbeutel. Ob es wirklich Stoff ist und komplett plastikfrei, sind wir uns noch nicht ganz sicher. Wir sind ja mit unseren Stoff-Einkaufstaschen gut ausgerüstet und ziehen diese jeweils vor.

Sterne vom Himmel holen

Bizarr, verrückt oder einfach genial? Was einem Künstler durch den Kopf geht, verstehen wir oft nicht. Wir tuckern über eine staubige Piste, vorbei an ein paar Nomaden bis wir von weitem in der Ebene einen Lehmbau entdecken.

Die «Himmelstreppe» des deutschen Künstlers Hansjörg Voth. 52 Stufen führen weit hinauf Richtung Himmel. Nicht genug, wenige Kilometer entfernt befinden sich noch weitere Werke «die Stadt des Orion», eine dreidimensionale Abbildung des Sternbilds Orion, und «die goldene Spirale», ein Schneckenhaus mit einem verborgenen Brunnen.

Alle Bauten wurden auf traditionelle Bauweise mit Lehm und Stroh errichtet. Wir können sie nur noch aus der Ferne betrachten. Laut einem Stück Papier an einer Tafel habe die Witterung den Bauwerken arg zugesetzt. So ist Land Art vergänglich. Der Natur ausgesetzt werden Sandstürme und Termiten die Lehmgebilde langsam in sich zusammensacken lassen.

Aber wir fragen uns, müssen Sterne hier wirklich vom Himmel geholt werden? Jede Nacht staunen wir über das Unendliche, das Glitzern und Glänzen am dunklen Himmelszelt ohne Lichtverschmutzung.

Mehrere Meter hohe Maulwurfshügel

Wir staunen nicht schlecht, als wir plötzlich in der Steppe zwischen aufgeschütteten Erdhügeln stehen. Interessiert erkunden wir die Umgebung und irgendwann werden wir freundlich von einem Marokkaner auf dem Moped begrüsst. Im Gespräch merken wir, dass wir hier vor einer touristischen Attraktion stehen. Als wir dann um einige Maulwurfshügel abbiegen, können wir auch die ersten Souvenirstände sehen.

Viel spannender sind aber die Meisterwerke der antiken Bewässerungskunst, die wir liebevoll und nichtsahnend Maulwurfshügel nannten, aber wie wir lernen, hier den Namen Foggaras tragen.

«Foggara» = unterirdischer Stollen

Vom Fuss eines Berges bis zu einem Oasendorf führt eine unterirdische Wasserrinne, die behutsam an einer idealen Stelle das Grundwasser anzapft. Um diese Foggara zu bauen, sind zahlreiche Schächte ausgehoben und miteinander zum Stollen verbunden worden. Die vertikalen Schächte wurden anschliessend zur Reinigung des Stollens weitergenutzt.

Mit Fusswinde und Ledersack haben Arbeiter diese von Schlamm und Sand befreit, damit sauberes Trinkwasser die Oase erreichen konnte. Der Grundwasserspiegel hat sich jedoch so weit abgesenkt, dass viele Foggaras kein Wasser mehr führen und nicht mehr gebraucht werden können.

Einladung zum Tee

Oft sind wir zu einem Tee eingeladen worden und vielleicht dieses Mal in eine Touristenfalle getappt. Obwohl, wir liessen sie mit Vorahnung zuschnappen und würden es wieder tun. Der Tee, für unseren Geschmack viel zu süss, erhält die Magie durch den Moment.

So sitzen wir gemütlich da, Plaudern mit unserem marokkanischen Gastgeber über die Foggaras, unsere Weiterreise und die Gegend um die grossen Sanddünen bei Merzouga. Auf einem A5-Papier kritzelt und zeichnet er eine Dromedartour mit Übernachtung in der Sandwüste. Diese macht er uns so schmackhaft, dass wir mit dem Zeichnungsvertrag, seiner Unterschrift, der Telefonnummer und Treff- sowie Zeitpunkt weiterziehen. Ob das wohl wirklich klappt? Wir werden es in ein paar Tagen sehen…

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2 Comments
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Ursula Theiler
Ursula Theiler
7. Februar 2019 19:34

1000 Dank für den neuen Reisebericht, ist echt grossartig, was Ihr da alles erleben könnt! Bei uns ist es winterlich kalt, oft müssen wir Schnee schaufeln und die Strassen sind eisig, kein Plausch zum Reisen hier! Also weiterhin all the best für Euch und täglich neue Freudeli!!
Herzliche Grüsse Ursy